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14.11.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Gespräch: Rahmenwahl
In der zeitgenössischen Kunst spielen Bilderrahmen oft eine untergeordnete Rolle. Zu den heimischen Malern, die den Rahmen jedoch sehr bewusst einsetzen, zählen Peter und Deborah Sengl. Ein Gespräch über Grenzen, Kitsch & Käufer.

Den Rahmen bewusst in die Gesamtkomposition einzubeziehen, hat viele Künstler der Moderne, wie etwa Klimt, Munch und Dali, gereizt – trotz oder obwohl der Rahmen oft als Symbol vergangener Kunstepochen angesehen wird. Dem „schaufenster“ haben Peter Sengl und seine Tochter Deborah verraten, warum sie beide in ihren Werken sehr bewusst mit Rahmen umgehen.

Schaufenster: Wird der klassische, dekorative Bilderrahmen seine Funktion komplett verlieren?

Deborah Sengl: Ich bin davon überzeugt, dass heutige Künstler bei ihrer Arbeit meist gar nicht mehr an Rahmen denken.
Peter Sengl: Wirklich? Ich glaube, der Trend ist sogar andersrum – hin zum Rahmen. Ich habe vor kurzem die Francis Bacon-Ausstellung im Kunsthistorischen Museum besucht. Die Bilder waren aufwendig gerahmt – und das hat wunderbar gepasst. Ich weiß zwar nicht, ob Bacon das wollte. Bei den Bildern aus der Sammlung Beyeler sieht man außerdem, dass sie viel besser gerahmt sind als bei den Stü­cken aus anderen Privatsammlungen, was ein Qualitätsbeweis ist. Für mich ist ein Rahmen jedenfalls eine Abgrenzung gegenüber der Welt, er schafft eine neutrale Zone. Das Bild wird aus der Zeit herausgehoben.

D. S.: Oft ist ein Rahmen aber so dominant, dass er dem Bild einen anderen Sinn aufdrückt. Er kann Qualität nehmen. Wenn heutige Künstler auf den Rahmen Wert legen, dann setzen sie ihn deshalb sehr bewusst ein. Wenn aber jemand, der ein Bild kauft, dem Bild einen schlechten Rahmen verpasst, ist das ein ungeheurer Eingriff in die Kunst.
P.  S.: Klar gibt es so etwas. Zum Beispiel bei den Impressionisten, die oft extrem protzig gerahmt wurden, was ihren Bildern eigentlich überhaupt nicht entspricht.

Schaufenster: Ist ein moderner, dezenter Rahmen für Sie eine Grenze? Oder lässt er das Bild in den Raum wirken?

D. S.: Ein solcher Rahmen, wie etwa meine dünnen, weißen Rahmen für die Papierarbeiten, grenzen schon ab. Aber sie lassen eben auch einen Blick in den Raum zu. 

Schaufenster: Ist es Ihnen schon passiert, dass Sie Ihre Arbeiten mit einem scheußlichen Rahmen irgendwo entdeckt haben? Und war das eine Beleidigung für die eigene Arbeit?

D. S.: Beleidigt bin ich nicht. Aber Gott sei Dank sehe ich meine Arbeiten meist nicht, wenn sie mal verkauft sind. So erspare ich mir das.
P. S: Bei kleineren Papierarbeiten ist das schon vorgekommen. Aber das muss man akzeptieren. Viele Menschen kaufen Kunstwerke nur wegen der Dekoration. Und entsprechend sind dann auch die Rahmen. Da nimmt man dann einen grünen Rahmen für ein grünes Zimmer, oder halt einen blauen ... Freunden kann man ja sagen, wenn’s schrecklich aussieht.

Schaufenster: Deborah Sengl, zu Ihren jüngsten Arbeiten zählt eine Serie von Plastik-Steckbildern wie jenes Spielzeug für Kinder, allerdings mit pornografischen Motiven und einem kitschigen Goldrahmen rundherum. Eine provokante Kombination.

D. S.: Ich hatte diese Bilder ursprünglich nur mit einem dezenten Rahmen aufgehängt. Aber es fehlte irgendwie etwas. Dann habe ich zufällig auf dem Brunnenmarkt im 16. Bezirk bei türkischen Verkäufern Bilder von Atatürk oder Landschaften mit ganz billigen, kitschigen Spritzgussrahmen aus Plastik entdeckt. Die habe ich dann für meine Bilder verwendet. Die Verkäufer sagten immer: Wir haben noch andere Motive, nicht nur Atatürk. Wenn die wüssten, was ich mit den Rahmen gemacht habe!

Schaufenster:  Es ging Ihnen um die Konfrontation zwischen ­traditionellem Rahmen und trashigem Porno?

D. S.: Goldrahmen haben etwas Barockes, Kitschiges, was ich ja – wie man sich denken kann – nicht mag. Ich liebe das Schlichte. Aber in dem Fall wurde praktisch das Motiv des ,Röhrenden Hirsches’ durch Pornografie ersetzt. Was ja durchaus konsequent ist!

Schaufenster:  Herr Sengl, Sie gehören zu den Malern – wie etwa Christian Luwdig Attersee – , bei denen in manchen Werken der Rahmen eine gleich geordnete Rolle zum Bild spielt. Um nicht zu sagen: Der Rahmen ist autonom.

P. S.: Rahmen und Bild entstehen in solchen Fällen auch unabhängig voneinander. Zuerst mache ich den Rahmen aus Holz und bemale ihn. Dann male ich das Bild, ohne den Rahmen dabei anzusehen. Und erst, wenn ich beide zusammenbringe, arbeite ich nochmals am Rahmen und versuche, ihn ein wenig an das Bild anzupassen. Wobei ich andererseits sogar sagen würde, dass der Rahmen in dem Fall wichtiger ist als das Bild. Beide korrespondieren nur deshalb gut, weil sie ähnliche Motive haben. Zum Beispiel Totenköpfe. Ich sage immer: Entweder die Dinge beißen sich oder sie passen perfekt zuei­nander. Die Mittelwerte sind immer das Uninteressanteste.

Schaufenster: Wie kamen Sie auf die Idee, Rahmen zu bemalen?

P. S.: Ein Freund wollte für eine Zeichnung von mir ein bemaltes Passepartout haben. Und dann hat sich das verselbstständigt.

Schaufenster: Könnte man das Bild auch austauschen?

P. S.: Nachdem es eine Serie von gleich großen Bildern war, warum nicht? Es wäre sogar sehr spannend, das zu tun. Es würde mich überhaupt nicht stören. 

Schaufenster: Ihre beiden Beckett-Bilder (siehe Seite 10) haben als untere Begrenzung eine Holzleiste. Würden Sie das als Rahmen bezeichnen? Und welche Funktion hat dieser „Rand“?

P. S.: Ich war einmal bei der Ausstellung „Bild+Rahmen“ im Kunstforum auf der Freyung. Dort habe ich ein Bild von Munch gesehen, der eine Leiste verwendet hat. Als ich dann nach Hause kam, fand ich beim Müll ein Holzstück, das ich für mein Bild zurechtgeschnitten und bemalt habe. Es ist für mich schon eine Art Rahmen. Interessant ist, dass das Material ein vollkommen anderes ist als das Bild. Daraus entsteht eine besondere Spannung. Aber man könnte über beide Bilder von mir aus wieder einen großen Rahmen machen.

Schaufenster: Mit dem Rahmen oft verbunden ist eine Verglasung des Bildes. Manche Künstler stört das vor allem dann, wenn sich die Dinge im Raum im Bild spiegeln.

D. S.: Gegen Glas habe ich überhaupt nichts. Glas bedeutet Schutz. Was mich aber sehr stört, sind Tapser.
P. S.: Für mich ist Glas eine Art Luxus. Die meisten Bilder sind ja nicht so empfindlich, dass man sie rahmen müsste. Ein vollkommener Unsinn war die Mode mit dem entspiegelten Glas. Wenn ich mich selber in einem Bild spiegle, finde ich das gut. Aber ich mag ja auch Schatten auf einem Bild. n

 

 

 

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