Sei lieb zu deinem Schinken!
Von Claudia Aigner
Zum Schnitzel muss man ja nicht höflich sein. Aber wenn das
Schnitzel noch am Leben ist? Ingeborg Strobl ist zum Thema "Animal" (bis
31. März in der Fotogalerie, Währinger Straße 59) ein Sofa eingefallen,
das zu sehr mit Polstern übersät ist, um noch eine Sitzgelegenheit zu
sein. Auf den Polsterüberzügen ist die Tierwelt noch heil (die Hennen
legen ihre glücklichen Ostereier garantiert nicht im "Hendl-KZ"). Die
intelligente, hinterfotzig-ambivalente Installation, die aber nicht
zufällig "Das geht auf keine Kuhhaut" heißt, verströmt also zunächst
nichts als ungetrübte häusliche Gemütlichkeit. Bis man zur Broschüre
auf dem Wohnzimmertisch greift. In provokanten Gegenüberstellungen wird
uns da unsere Doppelmoral im Umgang mit dem Tier vorgesetzt. Links: eine
Kuh, die für Kinder geeignet ist (also ohne Euter, dafür aber mit Tutu,
nämlich von der Spielzeugindustrie, die gewohnheitsmäßig unter
"Realitätsverlust" leidet, zur Primaballerina domestiziert). Rechts: ein
gemartertes "Lebendschnitzel in Kuhform". Eine Geschmacklosigkeit, die
freilich den unleugbaren Status quo zeigt und die wohl nur noch überboten
hätte werden können, wenn sich die Blond-und-Blauäugigen eine Tapete mit
Nichtariern im Walt-Disney-Stil in ihre Kinderzimmer geklebt hätten.
Alexandra Schlag "kostet" daneben die Ästhetik des Todes aus. Da gibt
es den einzelnen, tragischen Tod, der in Gestalt einer Katze auf der
Straße liegt, und dann das Massengrab, wo es schon sehr abstrakt wird.
Klebrige Fliegenfänger winden sich tadellos-abstrakt auf den Fotos.
Besonders eindringlich: der exotische Tod. Im Depot des Naturhistorischen
Museums hängen dicht gedrängt etikettierte ausländische Tierhäute.
Löwenrudel und Zebraherden "von der Stange". Eine nicht nur für
Fleischfresser empfehlenswerte Schau. Wenn Jackson Pollock einmal
seinen Pinsel verlegt und nur ein Schmirgelpapier gefunden hätte, hätte er
sich möglicherweise ähnlich betätigt wie Shawn Wallis (bis 20. April in
der Galerie Lindner, Schmalzhofgasse 13), obwohl Pollock die Kratzer wohl
zu unaufdringlich gewesen wären. Und wenn eine Sachertorte einen
quadratischen Grundriss hätte, käme sie in etwa auf die Proportionen
dieser hingebungsvoll zerkratzten Boxen. Einer "Gipsglasur" auf Leinwand
wird hier mit Sandpapier Farbe "hineingescheuert". Meist prallen zwei
Rot-Töne scharf aufeinander, das Rot selbst ist freilich subjektiv und
weich verschwimmend. Und immer wieder kommt es zu einem mystischen
Leuchten. Eine höchst sinnliche Erfahrung, die sich nicht zuletzt der
handwerklichen Geduld und einer originellen Technik verdankt. Markus
Miksch (bis 30. März in der Galerie Artefakt, Strauchgasse 2) ist so etwas
wie ein "gebürtiger Bildhauer". Selbst wenn er malt, bildhauert er und
wird "handgreiflich". Herzhaft ironisch und fast schon programmatisch: Aus
einem Tafelbild, das ja kaum noch das traditionelle Fenster zum
Illusionsraum ist, schneidet er ein leibhaftiges Fenster heraus, um es
gleich wieder mit einem Bild zuzustopfen. Als Bildhauer fordert er
gern die Schwerkraft heraus. Wenn sich die Erdanziehungskraft nur genug
anstrengt, schafft sie es vielleicht, seinen verschachtelten Granitblock,
der die poetisch schicksalhafte Neigung des Schiefen Turmes von Pisa hat,
in 100.000 Jahren umzukippen. Sein Bravourstückerl: Der raffiniert in sich
gedrehte Stein, der oben in einer scharfen Schneide ausläuft, die so dünn
ist, dass sie beim Anklopfen sogar klingt.
Erschienen am: 16.03.2001 |
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