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Ausstellungen 
   
   
  71  Salzburg: Florian Pumhösl: Covering the Room  Georg Schöllhammer  
   
   
Daß Florian Pumhösls Selbstreflexion des modernistischen Genres Ausstellung »Covering the Room« als Teil des großen »Public Space«- Projekts mehrerer Salzburger Kunstinstitutionen präsentiert wurde, legte die Vorstellung nahe, auch in ihm gehe es um eine Dynamik von Beziehungen zwischen Projekt und lokalen Öffentlichkeiten (siehe den Beitrag »Unbehagen im öffentlichen Raum« in diesem Heft).
Daraus entstand eine Reihe von Leseschwierigkeiten. Denn »Covering the Room« ging es weniger darum, den Raum der Ausstellung als öffentlichen Raum zu thematisieren, als vielmehr um Formate und Formatierungsprozesse innerhalb des Mediums selbst – und darum, diese an einem konkreten Ort, dem Hauptsaal des Salzburger Kunstvereins darzustellen. Also genau um das Gegenteil dessen, wovon die meisten der anderen Projekte von »Public Space« handelten :»Covering the Room« setzte mit seiner Untersuchung dort an, wo der abstrakte Raum des Modernismus dazu tendiert zu homogenisieren und die Ausschaltung von Spezifika des Lokalen gleichsam als Teil seines Programms betreibt: In den Universalisierungen des Mediums Ausstellung selbst.
Pumhösl reduzierte diese Reflexion auf wenige Motive: Ein Regal, das Motiv der Seilverspannung, ein Podest, eine Projektion in einem Bildmedium (hier das Video) sowie ein Buch und gewann durch eine klare Trennung von Reflexions- und Darstellungsebenen an Schärfe und Bestimmtheit.
Das Buch montiert im Titel »8 Ausstellungsflächen«, acht Texte rund um die Coverbegriffe »Distribution, Repräsentation, Projektion«. Ihm kommt die Aufgabe der Re-Kontextualisierungen der im Raum installierten Verweise auf die kontextunspezifischen Elemente von Ausstellungen der Moderne zu. Das Zusammenspiel dieser Elemente produziert Ambivalenz zwischen den Darstellungsmitteln und den durch sie dargestellten Inhalten. Die Motive, die die Ausstellung räumlich präsentiert – immer auch in bezug auf den konkreten Raum (so nimmt etwa das Maßwerk des Regals Maßverhältnisse des Saales auf) – zählen einen Teil jener trivialen Formen von Konstruktion auf, mit denen die Architektur der Moderne ihre Behauptung von Meisterschaft begründet hat.
Aber die Konstruiertheit dieser Elemente, das skulpturale Spiel mit ihnen im Raum, machen sofort sichtbar, daß es hier nicht um die Verkürzung eines komplexen Themas auf ein konzises, ästhetisches Designformat geht, sondern darum, daß Design selbst, einer der inhaltsgenerierenden Faktoren von Ausstellungen ist.
Regal, Seil, Podest sind also Teil dessen, was »Covering the Room« erzählen will. Indem Pumhösl sie aber bewußt nicht mit irgendwelchen visuellen Details bespielt oder sie mit irgendwelchen erklärenden Texten kontextualisiert, legt er sozusagen frei, was in diesen Elementen schon an sich repräsentiert ist. Das Regal ist eben auch ein unverzichtbares Requisit der arbeitsteiligen kapitalistischen Angebots-Ökonomie, von der Produktion bis zur Präsentation. Es präsentiert, lagert, archiviert deren Waren und tritt in vielen Ausstellungsmodellen der Moderne sozusagen wieder in einer symbolisch überhöhten Funktion seiner trivialen Verwendung auf.
»Ein Leitmotiv bei der Zusammenstellung des Buches war die Vorstellung, die einzelnen Beiträge könnten die Stellflächen einer fiktiven Ausstellung bilden: Exzerpte aus einem offensichtlich weitreichenden thematischen Horizont, …« schreiben die Herausgeber (Pumhösl und Matthias Dusini) im Vorwort des Bandes, der als Hinweis auf diese fiktiven Bezüge (aber natürlich auch auf den fiktionalen Charakter aller Erzählungen, die Ausstellungen aus ihren Materialien bauen) in ein paar Exemplaren auf dem raumteilenden Regal liegt.
DieThemen, mit denen die AutorInnen »fiktive Ausstellungsflächen« besetzen,gruppieren sich dann doch lose um ein inhaltliches Zentrum.
Auch wenn auf den ersten Blick nicht klar wird, was die Analyse einer aussterbenden Raumfigur wie jener der Städtebüros internationaler Airlines als Ausstellungsorte nationalen Selbstverständnisses mit einem Text zu tun hat, in dem Pier Paolo Pasolinis Filme aus der zweiten Hälfte der sechziger Jahre mit dem Ende einer Ära des italienischen Kommunismus, den afrikanischen Befreiungskriegen und der Repräsentation von Moderne in Pasolinis Afrikabild sowie dessen Rekurs auf archaisierende Erzählmotive im Spätwerk überblendet werden (Alexandra Seibel). Anhand von Bildmotiven der ständigen Präsentation von Geschichte und Gründungsmythologie einer der Neustädte Mussolinis, Torviscola bei Grado, die dort in einem eigenen Ausstellungsgebäude ständig zu sehen ist, wird versteckten Kontinuitäten faschistischer Planung im Nachkriegsitalien ebenso nachgegenagen, wie in einem anderen Beitrag den politischen Subtexten von LP-Covers der Siebziger (Christian Höller).
Die panoramatischen Phantasien dieses Genres, ob in den Konzepten von Will Burtin, Herbert Bayer, El Lissitzky oder Friedrich Kiesler, den fordistischen Wohnbau-Utopien eines Moshe Safdie oder den emanzipatorischen und partizipatorischen Ausstellungsenvironments der amerikansichen Nonne Corita Kent aus den Siebzigern (Julie Ault) spürt das Buch ebenso nach, wie dem komplexen Verhältnis von Modernismus, Architektur und Entkolonialisierung: Dieser Beitrag – über Haiti und den Duvalierismus – wird in der Ausstellung allerdings doppelt gebrochen. Ein Video zeigt eine Schnittsequenz aus Peter Glenvilles Verfilmung von Graham Greenes Haiti-Roman »Stunde der Komödanten.«
Gerade in dieser Sequenz wird deutlich, wie die Ausstellung arbeitet: Sie situiert ihre Objekte als Funktionen von Verweisen, in Bedeutungszusammenhängen, die explizit machen, daß ihr Status als »Rauminstallation« nicht der ist, einen Raum mit Inhalten zu bespielen und dafür welche Art von ästhetischem Vokabular auch immer zu finden, sondern daß sie dieses Vokabular selbst als Teil jenes Systems von Zeichen versteht und ausstellt, das sie antritt zu kritisieren. Solch (selbst)kritische Repräsentationsarbeit mit Bildern ist im gegenwärtigen Kunstbetrieb selten.
(25. April bis 24. Mai)
 
     

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