Ausstellung

Herrgott und Indianer: Der junge Wilde zartbunt in der Heimat

von Markus Rohrhofer   |  26. November 2010, 17:16
  • Artikelbild: Siegfried Anzinger vor seinem Gemälde "Die Verzückung der Heiligen 
Theresa", entstanden im heurigen Jahr.  - Foto: Kunstmuseum Lentos
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    Siegfried Anzinger vor seinem Gemälde "Die Verzückung der Heiligen Theresa", entstanden im heurigen Jahr.


Siegfried Anzinger im Kunstmusem Lentos in Linz

Linz - Für eine zweite Pubertät ist es offensichtlich nie zu spät. Auch wenn der junge Wilde von damals heute ein bisschen älter ist - zahm ist er deswegen noch lange nicht. Siegfried Anzinger hat sich nur mal eben neu erfunden. Das Linzer Kunstmuseum Lentos widmet derzeit dem in Köln lebenden, gebürtigen Oberösterreicher, eine umfangreiche Einzelschau. Nein, keine Retrospektive. Dafür ist Anzinger zu jung und zu aktiv.

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Der Schwerpunkt des malerischen "Heimat-Besuchs" liegt neben einigen Hauptwerken aus früheren Phasen vor allem auf brandaktuellen Arbeiten, die zum Teil erstmals ausgestellt werden. Und sich vor allem durch feinere Pinselführung und Pastelltöne von frühen Werken Anzingers unterscheiden. Waren in den 80er- Jahren noch ungestüme, schnelle Pinselstriche das Markenzeichen der "Jungen Wilden", so hat der Meister heute deutlich mehr Feingefühl. Vergleicht man das, was das Lentos im Untergeschoß aus den wirklich jungen Jahren der jungen Wilden zeigt, damit, was die Schau im oberen Stockwerk präsentiert, wird man auf den ersten Blick auf wenige Anknüpfungspunkte stoßen. Den Kunstkeller beherrschen Malerei und Grafik, starker Strich und Expressionismus, die eigentliche An- zinger-Schau pastelldominierte, selbstironische großformatige Leimfarbengemälde und zartbunte Aquarelle. Anzinger blickt lieber in die Zukunft - verheißungsvoll, ironisch, schillernd, aufgeladen. "Er betreibt Kunst als Ventil, um sich auszutoben", merkt Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller an.

Teufel und Hitler

Vor dem Hintergrund paradiesischer Gärten, Wüstenlandschaften, steiniger Felsen und wuchernder Dschungelszenen ist ein Heer an kopulierenden Raubkatzen, langrüsseligen Elefanten, wilden Westernhelden und halbnackten Indianerbräuten zu Gange. Dazwischen setzt sich stets der Künstler - hyperkritisch als bierbäuchiger, knollennasiger und scheinbar müder Held seiner Werke - selbst in Szene. Diesem Held gelingt die Verarbeitung seiner Mittlebenskrise mit ernstem Ausdruck, aber zwinkerndem Auge. Playboy-Cartoonist Erich Sokol oder die Bilderwelten der Karl May-Literatur wirken als mögliche Basis dieser "Schießbudenbilder" nach und scheinen in ihnen sichtbar zu bleiben.

Erstmals sind auch die Original-Vorzeichnungen zu den sechseinhalb Meter hohen Glasfenstern der Pfarrkirche Weyer zu sehen. Das Frauen- und das Männerfenster enthalten deutlich Anzingers Ikonografie: der Herrgott schwer adipös, der Teufel am Marienaltar, Hitlers Konterfei. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD - Printausgabe, 27./28. November 2010) 

Bis 13. 3.

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27.11.2010 13:51

erfrischend. modern aber nicht modisch. hut ab!

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