text breit  text schmal  
drucken 
Bilder keine Bilder

derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
28. November 2008
19:07 MEZ

Link

friedrich achleitner publiziert jeden samstag im STANDARD.

 
Der Maßstab
Architekturkritiker Friedrich Achleitner wird Ehrenmitglied der Wiener Secession

Wien - Lediglich sechs Ehrenmitglieder hat die KünstlerInnenvereinigung Wiener Secession im Laufe ihrer Geschichte in ihre Mitte gebeten, das siebente wird am Dienstag aufgenommen: Friedrich Achleitner - Architekt, Schriftsteller, Lehrer und Gründervater der österreichischen Architekturkritik.

Diese Ehrung wird jenem zuteil, der sich "außergewöhnliche Verdienste für die Kultur der Gegenwart" erworben hat. Achleitner wurde - für die streitbaren Secessionsmitglieder ungewöhnlich - einstimmig auserkoren. Abseits aller Institutionen ist diese kompakte Persönlichkeit des heimischen Kunst- und Kulturbetriebs mit bewundernswerter Beharrlichkeit ihren Weg gegangen. Sehr oft ganz allein.

Doch was heißt hier Kulturbetrieb. Achleitner war nie nur ein Rädchen in einem bestimmten Getriebe. Er war sich selbst stets Maschine und Antrieb genug, um durch Widerstände durchzuackern, bis dato nichtgepflügte Felder urbar zu machen.

Ohne Friedrich Achleitner hätten viele wichtige öffentliche Debatten um Architektur und die dazugehörige Kultur in diesem Land nicht stattgefunden. Ohne ihn hätte die Wiener Gruppe in den 50erJahren eine bedeutende Dimension weniger gehabt. Ohne den Mann mit der Corbusierbrille gäbe es kein Archiv der österreichischen Architektur des 20. Jahrhunderts.

Kurzum: Achleitner hat im Laufe seines langen produktiven Lebens ein vielschichtiges Werk produziert, von der Literatur über die Lehre bis hin zu einem der wichtigsten Güter einer für Soziales sowie Kulturelles aufgeschlossenen Gesellschaft: verständlich zu machen, was ge- und belebte Architektur für die Menschen leisten kann.

1930 geboren, in Oberösterreich aufgewachsen, besuchte er die Hochbaugewerbeschule in Salzburg. Eigentlich wollte er Maler werden, hatte schon als Bub auf dem Fahrradpackelträger immer den Skizzenblock mit, weil er gerne Bauernhäuser skizzierte. Doch es hieß: "Werd Baumasta, kannst aa zeichnen!"

Gemeinsam mit den Schulkollegen Wilhelm Holzbauer, Hans Puchhammer, Friedrich Kurrent und Johann Gsteu haute er 1950 endlich nach Wien ab und studierte bei Clemens Holzmeister Architektur.

Schreiben wurde ihm schließlich wichtiger als Zeichnen. Gemeinsam mit H. C. Artmann, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Oswald Wiener gründete er die Wiener Gruppe und mischte die miefige Wiener Szene der 50er Jahre auf.

Nebenbei begann er über Architektur zu schreiben. Erst unter Pseudonym in der Abendzeitung, bald schon in der Presse. Seine Kritiken und literarischen Abhandlungen über Architektur sind Legende. 1985 bekam er den Staatspreis für Kulturpublizistik. In seiner Rede sagte er, was heute noch gilt: "Architektur entstand überall dort, wo sich Einzelne gegen den Trott oder die Ignoranz ihrer Organisation durchsetzen konnten, meist in dem Bewusstsein oder der Gewissheit, damit ein persönliches Risiko einzugehen."

Er selbst gilt dafür als eines der erfreulichsten Beispiele. Das klare Wasser, das er predigte, das hat er selbst immer getrunken. (Ute Woltron/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.11.2008)

 

Diesen Artikel auf http://derStandard.at lesen.

© 2008 derStandard.at - Alle Rechte vorbehalten.
Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf. Eine Weiterverwendung und Reproduktion über den persönlichen Gebrauch hinaus ist nicht gestattet.