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vom 21.06.2007 - Seite 021

Der Schatten einer Frau und ein Maxl, der nicht immer kraxelt

VON BERNHARD LICHTENBERGER

Tief schnauft der Berg in seinem Inneren, synchron zum an- und abschwellenden Lichtschein, in den die "Gralsburg" getaucht wird - jene natürliche Eisskulptur, die dem wuchtigen Schädel eines Pottwals ähnelt. Unwillkürlich passt sich der Atem des Betrachters dem Rhythmus an.

"Breathe" (Atmen) heißt die Licht- und Klanginstallation im Schlund der Dachstein-Rieseneishöhle hoch über Obertraun. Sie ist Teil der Neuinszenierung "Dachstein Welterbe" durch 60 Lehrende und Studierende der Linzer Kunstuni mit Schwerpunkt "Raum & Designstrategien" unter der Leitung von Elsa Prochazka.

Keine Disney-Höhle

Genügt die Natur an sich nicht mehr, um sie anziehend zu finden? "Der Trend zur Natur ist ungebrochen", sagt Andreas Pangerl, Geschäftsführer der Dachstein & Eishöhlen- Gesellschaft, "aber man muss sie erlebbar machen, mehr Sinne ansprechen - ohne Disneysierung".

Für Kunstuni-Rektor Reinhard Kannonier geht es nicht darum, "Natur zu verändern, sondern zu verstärken". Zum Beispiel durch "La Linea" in der Mammuthöhle: Ein roter Laserstrahl tastet im Dunkel den Dachsteinkalk ab, erfasst Konturen und damit die gigantische Dimension des unterirdischen Labyrinths.

Das Spielerisch-Künstlerische verliert nie den Bezug zum natürlichen Objekt. Im "Reich der Schatten" genannten Höhlenteil werden eben Schatten an die Felswand geworfen. Faszinierend, wie aus einem unspektakulär geformten, banalen Stück Blech die schwarze Figur einer Frau mit gesenktem Kopf entsteht, wie sich eigenartig gebogener Draht im Schattenwurf klar zu einem Sessel fügt.

Wenn er kraxelt ...

Neben der imposanten Eiskapelle, an deren stützendem Zapfen im milden Winter eindringendes Wasser leckte, hat "I-Man", der Klettermax seinen Auftritt, von dem Besucher schwärmen. Als Videoprojektion, im Bluebox-Verfahren aufgenommen, kraxelt das Männchen aus einer Ritze kommend das Höhlengestein empor - eine Erinnerung an das Jahr 1910, als zwei Forscher die Dachstein-Eishöhle entdeckten.

Leider streikt "I-Man" bei unserem geführten 45-Minuten-Rundgang. Der Projektor, obwohl in einem Klimakasten vor der hohen Luftfeuchtigkeit geschützt, entwickelt hin und wieder ein mechanisches Eigenleben und schaltet sich selbst ab. Im analogen Fernsehzeitalter sagte man: An der Behebung des Schadens wird gearbeitet.

Blind wie Fledermaus

Zwei Millionen Euro stehen der Kunstuniversität zur Verfügung, die sie als Generalunternehmer verwaltet. Derzeit sind sieben Installationen so gut wie fertig, dazu gehören auch der leuchtende Eiskristall in der Eishöhle, die Regentrommel in der noch immer Wasser führenden Koppenbrüllerhöhle, auf der Tropfen spielen, und die Projektion eines gotischen Kirchenfensters, das einen Blick ins Freie vorzugaukeln vermag. Bis zur Endphase 2008 werden noch eine Handvoll folgen, etwa der "Cave Navigator", der einen wie eine blinde Fledermaus mit Sensoren durch das Dunkel geleitet.

Den größeren Teil des Budgets verschlingen die neu geschaffene Marke "Dachstein Welterbe" und ihre durchgängige Identität, das museumspädagogische Konzept und das Besucherleitsystem, das mit Alu-Infotainment-Wänden in die umgebaute Talstation der Krippensteinseilbahn führt, die gerade um 9,8 Millionen Euro neu errichtet wird.

2008 wird sich bei der Höhlenwelt, rund um die Schönbergalm, auch ein Teil der Landesausstellung "Salzkammergut" 2008 abspielen.

So schaut der Klettermax aus, wenn er nicht streikt. Fotos: Kunstuniversität Linz

Faszinierende Schattenfrau


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