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18.04.2006 - Kultur&Medien / Kultur News
Sitzen kann sehr teuer sein
VON PAUL KRUNTORAD
DOROTHEUM. Am 9. Mai lockt eine opulent bestückte Design-Auktion.

D
ie Design-Auktion des Doro theums weckt Nostalgie in vieler Hinsicht. Ende der 60er Jahre ent warf ein Insider der Wiener Szene, Heinz Frank, für die Wohnung Hans Neuffers, einem Freund berühmter Männer von Friedensreich Hundertwasser bis Udo Proksch), eine am Kopfende verstellbare Liege, deren pneumatische Effizienz durch die roten Gummikappen von Klistieren gewährleistet wurde. Das Konstruktionsprinzip war aufwendig: In einem gerasterten Stahlrahmen waren eine Art von Trompeten angeordnet, in die man die handelsüblichen Klistiere wie eine Blume in eine Vase stecken konnte. Zwei der drei Exemplare wurden von der Möbelfirma Svoboda hergestellt, deren damaliger Wiener Filialleiter, Peter Noever, später als MAK-Direktor dem "Radikaldesigner" (so der Katalogtext) eine Retrospektive ausrichtete. Der konstruktivistische Gegenstand, dem die (fehlenden, aber leicht ergänzbaren) Klistiere den Rang eines geistreichen Konzept-Spiels geben, wird auf 4000 bis 6000 € geschätzt.

Nostalgie wecken auch die Baumtische Carl Auböcks aus den Fünfzigerjahren (1500-1800 bzw. 1300-1500 €) und das Ensemble von sechs Deckenlampen Karl Hagenauers aus der selben Zeit. Skulpturales Format hat Ron Arpads Sitzobjekt "Big Easy Chair", signiertes Exemplar Nr. 5 (2003, nach einem Entwurf von 1988, 40.000- 50.000 €. Wie teuer Sitzen sein kann, zeigt sich auch bei einem blau (sonst üblich: schwarz) bespannten Klubsessel Marcel Breuers (B3 "Wassily", 1926, 20.000-26.000 €) oder der Chaiselongue von Le Corbusier und seinem Cousin Pierre Jeanneret (Entwurf 1928, ausgeführt von Thonet, Bystrice, CSR, 18.000 bis 22.000 €).

Das teuerste Sitzmöbel, wie so oft in den einschlägigen Auktionen der letzten Jahre, stammt von Otto Wagner: ein Stuhl, den er 1912 für seine eigene Wohnung entworfen hat, ein schlichtes Holzmöbel mit geflochtener Sitzfläche. Es existieren nur drei Exemplare, das im Dorotheum angebotene hat einen Schätzpreis von 70.000 bis 90.000 €.

Ein weiteres Exemplar ist in Privatbesitz, das aus der MAK-Sammlung dient derzeit Herbert Lachmayer in seiner Albertina-Ausstellung "Mozart - Experiment Aufklärung" als Beleg seiner These von der "Kreativität der Dekadenz". Der Leiter des Daponte-Instituts für Librettologie und Don-Juan-Forschung betrachtet offenbar im krassen Gegensatz zur derzeitigen Lehrmeinung Otto Wagner als Architekten der Dekadenz, nicht deren Überwindung durch die Moderne.

Auf die Glanzpunkte der Auktion "Fotografie" (9. Mai) wird man schon durch die Abbildungen auf den Umschlagseiten des Katalogs aufmerksam gemacht: Valie Exports "Einführung" (sie selbst, gefesselt auf einer Bank in einer Art Keller) aus dem Jahr 1976, Vintage, überarbeitetes Gelatinesilber, Auflage drei Exemplare, hat einen Schätzpreis von 6000 bis 8000 €, das Klimt-Porträt des Prager Fotografen Anton Josef Trcka (1914) soll 3000 bis 3500 € bringen.

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