Francesco Bonami kann als
Senkrechtstarter bezeichnet werden. Erst vor zehn Jahren wurde er zum
ersten Mal als Kurator tätig, und das gleich für die Biennale in Venedig,
wo er die "Aperto", die offene Schau junger Kunst, gestaltete.
Heute gehört der 48-jährige Florentiner dem "Manifesta"-Kommitee an,
hat Ausstellungen für die "Tate Modern" oder das "P.S.One" in New York
konzipiert und arbeitet als Chefkurator am "Chicago Museum of Contemporary
Art".
Weniger Mittel auch in Chicago
Aufgrund der wirtschaftlichen Rezession steht ihm dort nicht mehr so
viel Geld für Ankäufe und Ausstellungen zu Verfügung wie noch vor ein paar
Jahren - und doch, so Bonami, verfügten die privat finanzierten großen
Museen der USA noch immer über Budgets, von denen europäische Museen nur
träumen könnten.
"Etwas seltsamer" Werdegang
Bonami nennt seinen eigenen Werdegang "etwas seltsam". Nach der Matura
reiste er durch Kanada. Weil er dringend Geld brauchte und sich kein
anderer Job fand, wurde er Assistent eines rumänischen Bildhauers, durch
den er zum ersten Mal mit zeitgenössischer Kunst in Berührung kam.
Zurück in Italien, begann er ein Bühnenbild-Studium, versuchte dann
Maler zu werden, und schrieb in der Folge für Kunstzeitschriften wie das
renommierte italienische Magazin "Flash Art".
![Francesco Bonami / ©Bild: APA](00060459-Dateien/1-bonami.jpeg) |
Francesco Bonami / ©Bild:
APA |
Polit-Debatten über Bestellung
Seine Berufung zum Biennale-Leiter ging nicht ohne politische Debatten
ab. Weil er nicht der Wunschkandidat italienischer Kulturpolitiker war,
sieht er sich nach wie vor Attacken ausgesetzt, was er aber mit der ihm
eigenen Gelassenheit erträgt, denn, so Bonami, in Italien gebe es zu allem
und jedem Polemiken.
Ende der Universal-Kuratoren
Mit seinem Vorgänger Harald Szeemann sei auch für den Berufsstand der
Ausstellungsmacher gleichsam das 20. Jahrhundert zu Ende gegangen, so
Bonami. Den universalistischen Kurator, der im Alleingang eine Vision
verwirkliche, könne es so nicht mehr geben, angesichts der Tatsache, dass
in immer mehr Weltgegenden immer mehr Kunst produziert werde.
"Wir haben jetzt ja auch in China, Thailand, Südamerika oder Südafrika
lebendige Kunst-Szenen. Da kann man als Kurator nicht mehr alleine
arbeiten, wenn man ein genaues Bild des heutigen Kunstgeschehens
vermitteln will", erklärt Bonami.
Erfreuliche Entwicklung
Wie kommt Francesco Bonami mit der schieren Menge des Angebots zurecht?
Allein in Europa entstehen pro Jahr an die 20 neue große
Kunst-Institutionen, die Zahl der Biennalen und sonstigen internationalen
Großausstellungen hat sich in den letzten zehn Jahren vervielfacht.
Abgesehen von dem dadurch entstehenden Quotendruck und der
Konkurrenzschlacht zwischen den Museen und Kunsthallen findet Bonami diese
Entwicklung grundsätzlich erfreulich:
"Wenn es immer mehr Künstler gibt, dann bedeutet das: Es gibt ein
großes Bedürfnis nach einer Parallelwelt zum Alltag, nach metaphorischen
Handlungen, die nicht dem ökonomischen Gewinn dienen. Die Menschen fragen
mich jetzt, was eine Kunstschau während eines Krieges für einen Sinn hat.
Ich denke, Kunst ist sinnlos, der Krieg aber auch - wobei die Kunst
immerhin in eine optimistische Richtung zielt."
Bonamis Biennale-Konzept
Francesco Bonamis 50. Biennale di Venezia wird zwangsläufig nicht nur
an der Harald-Szeemann-Biennale 2001, sondern auch an der "documenta" des
Vorjahres gemessen werden. In einem wesentlichen Punkt wollte sich Bonami
von Okwui Enwezors "documenta"-Konzept absetzen: Es sollen deutlich
weniger lange Filme und Videos gezeigt werden, denn: "Es stimmt ja, dass
viele Künstler jetzt Filme von dokumentarischem Charakter drehen. Das hat
seine Notwendigkeit, gehört aber nicht unbedingt in den Kontext einer
großen Kunstschau. Der Besucher wählt dann nämlich die Exponate nicht mehr
nach seinen Vorlieben, sondern nach zeitlichen Kriterien aus. Das heißt,
er muss entscheiden, ob er einen Zwei-Stunden-Film sehen will und dafür
einen anderen Teil der Ausstellung verpasst. Das finde ich
unfair."