04.05.2003 23:14
Die Macht des Eros
Sinnlose Posen:
Martin Gostner dividiert einander Liebkosende auseinander.
Von Platon wissen wir, dass die Menschen zunächst
zweigeschlechtlich waren. Doch die Geschichte jener idealen und also kugeligen
Grundform verlief tragisch. Von Götterhand geteilt, erhielt der Mensch sein
heutiges Erscheinungsbild und war fortan zwanghaft bemüht, zu seinem Teil das
dazu passende Pendant zu finden. Von solcher Grundneurose lebt auch die
Pornoindustrie. Dass deren Produkte aber nur Vorspiegelungen der
gemeinschaftlichen Vorspiegelung bietet, zeigt Martin Gostner. Er hat sich
zeichnend hier mit Vorlagen versorgt, die Kombattanten wieder angekleidet,
verdreht und unsensibel voneinander weit getrennt. So machen die pathetisch
aufgemotzten Posen, die Mimik der sich ehemals Vereinigenden keinen Sinn mehr,
erinnern ans Schattenboxen oder an Gebetverrichtungen. Münder sind nur noch wie
zum Gähnen oder Schreien offen, weit heraushängende Zunge erscheint als
Kinderei. (trag, DER STANDARD, Printausgabe vom 5.5.2003))