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19.07.2002 - Kultur News
Karlsplatz: Kunst unter die Erde - oder Höhenflug für Ausstellungsmacher
Unter dem Karlsplatz will die Stadt Wien 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche schaffen: Mit mehr Kritik als Freude reagieren Wiener Kulturtreibende.
VON HANS HAIDER UND ALMUTH SPIEGLER


Unter dem Karlsplatz will die Stadt Wien ihrem Kunst- und Kulturbetrieb zusätzliche 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche auftun. Das kündigte Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny in einem Interview in der "Presse" (Donnerstagausgabe) an. Die dort nach dem Ausbau einer U-Bahn-Umkehrschleife plötzlich bekanntgewordene Raumreserve soll vom Historischen Museum der Stadt Wien und vom Künstlerhaus-Verein "bespielt" werden.

Die Pläne der Stadt Wien lösten erwartungsgemäß eine Diskussion in der Ausstellungs- und Museumsszene aus. Konkurrenzneid? Elisabeth Leopold, Mitdirektorin im neuen Leopold-Museum (der Sammler Rudolf Leopold weilte am Donnerstag im Ausland), weist solche Gedanken zurück: "Ich sehe darin überhaupt keine Konkurrenz. Mich stört kein Quadratmeter mehr für die Kunst. Wenn das nicht ankommt, sind die Betreiber selber schuld. Die Kunst soll den Leuten Spaß machen."

Künstlerhaus städtisch?

Fast uneingeschränkt wird das Vorhaben von Gerald Matt, dem Geschäftsführer der städtischen Kunsthalle im Museumsquartier, begrüßt; er ist neuerdings auch Mailath-Pokornys Berater in Museumsfragen und behielt auf dem Karlsplatz eine Kunst-Dependance samt einem gut frequentierten Terrassen-Café. Er hat jüngst ein neues Konzept für das Historische Museum am Karlsplatz entwickelt, mit dem dort der Ära von Direktor Günter Düriegl im nächsten Jahr ein Ende bereitet werden soll - und kennt offenbar die magistratsinternen Kalküle genau.

Der "Presse" antwortete er: "Wenn das reine Wechselausstellungsflächen wären, würde ich das sehr problematisch sehen. Eine Erweiterung der musealen Flächen wäre positiv. Es hängt immer von der Qualität ab, die man den Flächen gibt. Aus der Erfahrung kann man sagen: Ein Mehr an Angebot hat auch ein Mehr an Nachfrage geschaffen. Der Plan, den wir mit Historischem Museum und Künstlerhaus besprochen haben, war, die beiden stärker miteinander zu verbinden. Ein Teil der Sammlung des Historischen Museums könnte etwa im Künstlerhaus präsentiert werden, die finanzielle Zukunft des Künstlerhauses wäre gesichert, und in den neuen Räumen hätte man Platz für die zeitgenössische Kunst."

Diese faktische Eingliederung des bisher privaten Künstlerhaus-Vereins in die städtische Museumspolitik ist Teil einer von Mailath-Pokorny vorbereiteten Werbeaktion für alle dort ansässigen Kunst-Institutionen - wie etwa für Musikverein und Secession. Matt, dem in der Kunsthalle vier Millionen Euro Jahresbudget zur Verfügung stehen: "Das Konzept Kunstplatz Karlsplatz ist toll! Es ist das genaue Gegenteil zum Museumsquartier. Die Autos fahren durch - nicht vorbei. An einem Ort wäre Kommunikation, Geschwindigkeit, urbane Verdichtung vereint. Alle zwei Jahre könnte aus den Kapazitäten der beiden Häuser mit unterschiedlichen Kompetenzen ein Thema besetzt und international gefeatured werden."

Skeptischer äußert sich Peter Noever, Direktor des (Bundes)- Museums für angewandte Kunst - der kürzlich selber für den Flakturm im Arenberg-Park unterm Titel "Contempory Art Tower" (CAT) zusätzlichen Raumbedarf angemeldet hat: "Möglicherweise ist das eine Reaktion auf CAT und das Museumsquartier. Das gibt sicher einen gesunden Konkurrenzkampf. Die Idee selbst halte ich für positiv und naheliegend, aber man muß überlegen, ob es hier nicht nur um eine Identitätssicherung der Stadt Wien gegenüber dem Bund geht."

Konkreter äußert Edelbert Köb, der neue Direktor des Bundesmuseums für moderne Kunst - Stiftung Ludwig im neugebauten Museumsquartier seinen Einwand: "Es sollte keine getrennten Museumsordnungen der Stadt und des Bundes geben, kein getrenntes rotes und schwarzes Gesamtkonzept. Die Frage ist, wer zahlt den Betrieb, und was findet dort überhaupt statt? Ein weiteres Parallelprogramm zeitgenössischer Kunst, wie es etwa Noever und Matt schon machen?"

Noever kritisiert das Prozedere des Magistrats, der nach Jahren des Planens und Bauens nun erstmals die Kunst als Zweckwidmung ins Gespräch bringt: "Als Geschäftsmann baut man nicht vorher ein Gebäude und überlegt erst dann, womit man es füllt. Die erfolgreichen Museen sind dort, wo es einen Direktor mit Leidenschaft für Kunst gibt, nicht wo die Politiker sind. Wenn man Strukturen schafft und erst dann schaut, was dort gespielt wird - das ist der falsche Weg. Inhalte sind wichtiger als eine ständige Aneinanderreihung von Solitären."

Konkurrenz zum CAT, meint Noever, sei die Untertag-Ausstellung am Karlsplatz keine - sein CAT werde anders positioniert.

Generaldirektor Wilfried Seipel ringt um seine Publikumsrekorde im Kunsthistorischen Museum ohne eine eigene Sonderausstellungshalle: "Wie und womit alle diese Flächen einmal bespielt und damit auch finanziert werden können, erscheint mir mehr als fraglich zu sein. Ganz abgesehen davon, bin ich mir nicht sicher, ob dieses Überangebot an Ausstellungsflächen überhaupt wünschenswert und zielführend ist - die Ökonomie der Aufmerksamkeit fordert ihr Recht!"

"Sinnvoller wäre es gewesen", so Seipel, "das bestehende Künstlerhaus und seine rund 2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche zu sanieren, statt zusätzliche 4000 unterirdisch einzurichten. Die Gigantomanie in der Schaffung neuer Ausstellungsflächen in Wien scheint im Augenblick wenig zielführend - umso mehr als eine Reihe von bestehenden Ausstellungsflächen, wie etwa im MAK oder im Schottenstift, nicht mehr ausreichend finanziert werden können. Vielleicht sollte man Kassenhäuschen an den Stadteinfahrten positionieren und ganz Wien zu einer Sonderausstellungsfläche erklären."

Klaus Albrecht Schröder, Chef der Albertina, steht vor der Neueröffnung zusätzlich neugebauter Ausstellungsräume im nächsten März. Er meint, daß man alles vermeiden soll, was die Wiener Ausstellungsflächen weiter vermehren würde. Denn: "Das Publikum wächst nämlich nicht mit den Flächen im selben Ausmaß mit."

"Haben wir nicht genug?"

In der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere reagiert Direktor Gerbert Frodl spontan mit der Gegenfrage: "Haben wir nicht genug?" Frodl wird mit Köb den derzeit leeren Schwanzer-Pavillon im Schweizergarten mit Programm füllen müssen. Er konzediert dem Historischen Museum der Stadt Wien, daß es zu wenig Räume für Wechselausstellungen hat. Doch 4000 Quadratmeter mehr scheint ihm "viel". "Das Künstlerhaus", so Frodl, "hat schon Probleme genug, bei sich oben Ausstellungen zu machen".

Ingried Brugger arrangiert im Kunstforum Bank Austria attraktive Ausstellungen auf ihren 1000 Quadratmetern. Die offizielle Wien-Tourismus-Statistik warne: "Der Kuchen schrumpft. Ich glaube, daß bei den Ausstellungsflächen das Limit schon erreicht ist." Sie will nicht gegen Strukturbereinigungen anreden und fürchtet um keine Adresse, wo gute Inhalte geboten werden. Aber die bloße Flächenvermehrung ("Konzepte der achtziger und frühen neunziger Jahre") lehnt sie ab. Darin weiß sie sich einer Meinung mit Leuten aus der internationalen Kunstszene, die Wien kennen: "Rudi Fuchs, Direktor im Stedeleijk Museum Amsterdam, schlägt die Hände überm Kopf zusammen über unsere Ausstellungs-Quadratmeter".

Es sollen in Wien schon deren 80.000 sein!



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