Autodidakten und Berufene | |
168 Bilder kongolesischer Künstler offenbaren Ein/An/sichten in/auf
das Leben im bürgerkriegs-
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"Viele Maler sind Autodidakten, manche empfinden ihre Kunst als
Berufung, andere betreiben sie als Handwerk", erklärt die Afrika-Kuratorin
im Wiener Museum für
Völkerkunde, Barbara Plankensteiner. Die Bilder der AN/SICHTEN
bestechen durch ihre narrative Qualität und ihre direkte ästhetische
Kraft, durch das große künstlerische Talent der mit einfachsten
Arbeitsmaterialien operierenden Künstler, zeigt sich die Ethnologin
begeistert.
Allen gemeinsam ist die Nähe zur Straße, zum Alltag und dem Befinden
ihrer Mitbürger und deren Beurteilung aktueller Ereignisse, die sie mit
ihrer vitalen, zum Teil ironisierenden Bildersprache festhalten. "Einige
populäre Maler, wie Chéri Samba aus
Kinshasa und Tshibumba Kanda aus Lubumbashi, gelangten zu internationaler
Bekanntheit, die meisten der hier vorgestellten Künstler sind jedoch im
Westen noch weitgehend unbekannt", so Plankensteiner. Moderne Malerei statt Masken "Mit der Ausstellung AN/SICHTEN wollen wir einen Eindruck vom
gegenwärtigen Afrika vermitteln und zeigen, dass es abseits von der
bedeutenden so genannten "traditionellen" klassischen afrikanischen Kunst,
wie den Skulpturen und Masken, rezente Kunsterzeugnisse gibt, denen eine
besondere ästhetische Qualität zu eigen ist", erläutert die
Ausstellungschefin. Für die große Zahl der urbanen afrikanischen
Bevölkerung habe die populäre Malerei mehr mit ihrem gegenwärtigen Leben
zu tun, als die bei uns so hoch geschätzten skulpturalen Kunstobjekte. Medium und Moralkritik Der bildliche Parcours durch die jüngste Geschichte des Kongo beginnt
mit den letzten Regierungsjahren von Langzeit-Diktator Mobutu hin zum
Machtwechsel durch den kürzlich erschossenen General Kabila und endet mit den
Rebellionen in den verschiedenen Landesteilen.
Hintergründe des Geschehens werden in den Bildern erklärt, wie auch
jene Entwicklungen im gesellschaftlichen Leben, mit denen die Kongolesen
Tag für Tag konfrontiert sind - Transportprobleme in der Stadt,
Benzinmangel, "Verfall der Sitten" und Ähnlichem. Die populäre Malerei
dient gleichzeitig als Medium der Berichterstattung und als moralisierende
Kritik gesellschaftlicher Veränderungen. Urbane Kunstproduktion AN/SICHTEN gibt einen umfassenden Überblick über die rezente
Kunstproduktion dreier urbaner Zentren: der Hauptstadt Kinshasa,
Lubumbashi, der größten Stadt im Zentrum des Kupferabbaugebietes, und
Bunia, einer Kleinstadt an der Grenze zu Uganda, die vom Goldbergbau und
-handel lebt. Regionale Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Themenwahl
und im Stil werden auf diese Weise gezeigt. Gleichzeitig gibt die Schau
Einblicke in die Materialien und Techniken der populären Maler. Unvergleichlicher Cheri Cherin Einer der Künstler, deren Werke in der Ausstellung zu sehen sein
werden, ist Cheri Cherin. Sein Künstlername "Cheri" ist eine Abkürzung von
"Créateur Mars - Expressionniste - Remarquable - Inégalable - Incomparable
- Naturaliste", Schöpfer Mars, Expressionist, Bedeutender, Einzigartiger,
Unvergleichlicher, Naturalist. "Cheri" bezieht sich auf die Liebe, denn
jemand, der sein Publikum ernst nimmt, wird auch von diesem geschätzt und
geliebt. Er hat sich diesen Namen gegeben, als ihm bewusst wurde, ein
großer Künstler zu sein; dies war im Jahre 1968. Alltag und Popmusik Cherin betont, dass die populäre Malerei ihre Themen dem
gesellschaftlichen Leben entlehne. Manchmal lässt er sich auch von Songs
der kongolesischen Popmusik inspirieren. Die Malerei reflektiere das
Leben, das sich in Kinshasa abspielt: "Wir Künstler dringen in die Tiefe
des Menschen ein, um das Wesen ihres Daseins darzustellen", formuliert
Cherin seine künstlerische Berufung. Wenn er etwa beauftragt sei, die
Außenwand einer Boutique zu gestalten, frage er die zahlreich vorhandenen
Schaulustigen, was ihnen gefallen würde und verwirkliche dann ihre
Vorschläge.
Kein akademischer Sklave Einmal wurde er angeregt, Edingwe, einen bekannten Ringer Kinshasas, zu
malen, wie er seinen Gegner zum "Tanzen" bringt. Anhand dieses Beispiels
macht Cherin den Unterschied zu akademischen Malern und sich selbst klar:
"An der Akademie haben wir gelernt, dass der Künstler etwas ausdrücken
muss, er ist frei sich auszudrücken, er ist der König, weil er bestimmt.
Das stimmt auch. Aber ich selbst kann nicht Sklave des Akademismus sein".
Er setzte sich bewusst von den akademischen Malern ab und arbeite nach dem
Geschmack des Publikums - denn nur auf diese Art könne er das "Publikum
durch seine Werke erziehen." Tipp: Höhepunkt des Rahmenprogramms zur Ausstellung, mit einer Vortragsreihe,
Filmabenden und Galeriegesprächen, bildet die Anwesenheit eines populären
Malers aus Lubumbashi, der über zwei Wochen in der Ausstellung malen wird.
Besucher können sich nach ihren Passfotos Porträtmalereien kongolesischen
Typs bestellen. | ||||||||