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Kulturkampf im Augarten: Sängerknaben-Halle ist fix

10.12.2007 | 21:47 | VON MARTIN STUHLPFARRER (Die Presse)

Der Kampf um den Augarten ist entschieden: Die Sängerknaben besiegen das Filmzentrum. "Klangkristall" wird gebaut. Anrainer planen "kleines Hainburg".

WIEN. Die Entscheidung ist gefallen. Die Sängerknaben dürfen ihr geplantes Konzerthaus namens "Klangkristall" im Augarten (Ecke Castellezgasse/Obere Augartenstraße) bauen. Das geplante Filmkulturzentrum geht leer aus. Das entschied das Wirtschaftsministerium am Montag. Die zuständige Sektionschefin Elisabeth Udolf-Strobl begründet die Entscheidung gegenüber der "Presse": "Das Sängerknaben-Projekt ist bei Finanzierung und Planung durchkonzipiert." Das geplante Filmzentrum dagegen sei in einem "zu frühem Stadium" und "noch nicht ausgereift".

Sängerknaben-Direktor Eugen Jesser "freut" sich und will die Pläne für den "Klangkristall" sofort einreichen, im März könnte der Baubeginn erfolgen. Die Projektkosten betragen rund elf Mio. Euro; die Veranstaltungshalle bietet Platz für 430 Besucher.

Die Projektbetreiber des Filmkulturzentrums zeigen sich in einer ersten Reaktion "total enttäuscht". Ernst Kieninger (Filmarchiv): "Es kann doch nicht sein, dass eine kulturpolitische Entscheidung nur im Wirtschaftsministerium getroffen wird." Er spricht von "Kaltschnäuzigkeit".

Kampf der Kulturen

In den Kampf "Musik gegen Filmkultur" will Sektionschefin Udolf-Strobl nicht hineingezogen werden: "Es hat sich nicht um eine kulturpolitische Entscheidung, sondern um eine wirtschaftlich-rechtliche gehandelt." Nur die Vorgaben des Finanzministeriums hätten für das Wirtschaftsministerium gezählt: Die Planung müsse korrekt eingereicht sein; eine Finanzierung für den Neubau samt Betriebsfinanzierung stehen. Diese Vorgaben hätte das Sängerknaben-Projekt voll erfüllt; das Filmkulturzentrum hingegen nicht.

Die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums lässt den Streit nun endgültig eskalieren - nachdem sich die Anrainer massiv gegen die Sängerknaben-Halle gewehrt hatten, weil "das Filmkulturzentrum für den Park deutlich verträglicher ist".

Daniela Kraus ("Freunde des Augartens") spricht von einer "demokratiepolitischen Katastrophe": "Die Stadt entwickelt ein neues Leitbild für den Augarten. Und ohne auf ein Ergebnis zu warten fährt das Ministerium einfach über die Bürger." Kraus kündigt Widerstand gegen die Sängerknaben-Halle an: "Es wird massiven Protest geben. Das lassen wir uns nicht gefallen." Ein Widerstandscamp im Augarten wird überlegt.

Neben Anrainern, Filmarchiv und Viennale hat das Wirtschaftsministerium auch die Wiener SPÖ erzürnt. "Vor eineinhalb Wochen wurde bei der Leitbild-Auftaktveranstaltung vom Vertreter des Bundes betont, man wolle mit Wien einen gemeinsamen Weg gehen. Der ist heute vom Wirtschaftsministerium abrupt beendet worden", erklärt der SP-Vorsitzende des Planungsausschusses Karlheinz Hora.

Bürgermeister Michael Häupl versuchte am Montagnachmittag noch die Wogen zu glätten und kündigte an, für das Filmkulturzentrum einen neuen Standort zu finden. Anrainer, die gegen die Augarten-Verbauung kämpfen, sind nicht zufrieden: Das ändere nichts an der Unverträglichkeit der Sängerknaben-Halle für den historischen Park.

"Ein zweiter Bacherpark"

Unterstützung für die Anrainer kommt von Grün-Gemeinderätin Sabine Gretner: "Der Augarten wird ein zweiter Bacherpark", kündigt sie an. Dort wurde - gegen den Willen der Bevölkerung - der Bau einer Tiefgarage beschlossen. Nachdem Anrainer Zelte errichtet hatten, um den Park zu schützen, wurde das Projekt abgesagt.

Das Wirtschaftsministerium möchte die heiße Kartoffel jetzt schnell los werden. Burghauptmann Beer: "Die Entscheidung ist gefallen", die Sängerknaben müssten mit den Bürgerprotesten "selbst fertig werden". Unterstützung bei Konflikten (z.B. Grundstücksbesetzungen) könne es vom Ministerium nicht geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2007)


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