Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien live

Illustration

Der Mond ist eine Birne

(cai) Alle Karotten sind grau, in der Galerie Senn. Na ja, zumindest wenn jemand ein paar Karotten in die Galerie Senn reinschmuggeln tät’. Dort ist’s nämlich so finster (besonders wenn man die Sonnenbrille aufhat), dass man sich zu einer spontanen metaphysischen Tat geradezu herausgefordert fühlt. Da muss man ja einfach ein nicht vorhandenes schwarzes Schaf scheren. Oder im Dunkeln nach dem perfekt getarnten Rauchfangkehrer suchen, der Lakritze an die Bedürftigen verteilt. Denn laut Bertrand Russell ist Metaphysik "der Versuch, in einem verdunkelten Zimmer eine schwarze Katze zu fangen, die sich gar nicht darin befindet". (Das funktioniert natürlich auch mit Schafen und Rauchfangkehrern. Einem blinden Hendl bloß den Weg zum nächsten Korn zu beschreiben, reicht hingegen eher nicht .)

Plötzlich merkt man: Die Luft ist ja gar nicht zum Schneiden schwarz. Das liegt an den extrem lichtempfindlichen Stäbchen auf der Netzhaut. Die reagieren schon auf ein einzelnes Photon. Also auch auf eine Glühbirne. So eine liegt hier auf einem riesigen pittoresken Tintenfleck. Weil Kitty Kraus sie in einem schwarz gefärbten Eiswürfel eingeschlossen hat. Das deprimierende Lackerl ist quasi ein Aquarell, das die Birne kraft ihrer 40 Watt gemalt hat. Nebenan wirft eine Lampe (versteckt in einem innen verspiegelten Kubus) ein Universum an die Wände. Eine filigrane Grafik, gezeichnet mit jenem Licht, das durch die Ritzen des strengen Behälters dringt. Fast romantisch, was die Glühbirne da überall mit der Geometrie aufführt.

Galerie Senn
(Schleifmühlgasse 1)
Kitty Kraus
Bis 25. August
Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr
Sa. 11 bis 15 Uhr
Unaufdringlich.

-----

Frau mit Stadtplan

(cai) Wie demonstriert man Ausdauer? Man zählt entweder die Pflastersteine auf der Kärntnerstraße oder man quetscht mit unerbittlicher Präzision (wie die Kartografen) die ganze Stadt in ein einziges Bild und lässt jede einzelne Häuserzeile maßstabsgetreu aus der Pipette tropfen. Letzteres tut Susanne Riegelnik. Wundern würd’s mich nicht, wenn unterm Mikroskop sogar die Fiaker und Mozartdoppelgänger zu erkennen wären. Prägnante Farbkontraste, diskrete Nuancen, reizvolle Oberflächen.

Splitter Art
(Salvatorgasse 10)
Susanne Riegelnik
Bis 7. September
Mo. bis Fr. 11 bis 17 Uhr
Markant.

Mittwoch, 22. August 2007


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at