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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
26. Mai 2006
20:26 MESZ
Von
Markus Mittringer 
Foto: KunstHausWien/Dana Frank
Der Meister aus Graubünden und zwei seiner bei manchen Furcht erregenden Kreaturen: HR (Hansruedi) Giger.

Kunsthaus Wien: Schreckensreich Giger
Das Kunsthaus zeigt "Giger in Wien", eine Retrospektive auf den Schweizer Meister des trivialen Schreckens

Das Kunsthaus zeigt "Giger in Wien", eine Retrospektive auf den Schweizer Meister des trivialen Schreckens: Von den Anfängen in der Art der Surrealisten bis zur geschmäcklerischen Resteverwertung.

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Wien - Der Ursprung des Kunstwerks findet sich bei HR Giger in der Fantasie - in seiner Fantasie. Und die wiederum wird bei ihm gespeist von Stiegenhaus und Keller seines Elternhauses. Das Stiegenhaus war, bekennt er, "in fahles gelbes Licht getaucht", der Keller "modrig", der Vater Apotheker.

Wie wenigen anderen vorrangig fantasiegesteuerten Künstlern ist es HR Giger gelungen, zu allgemein Gültigem zu finden - sofern man unter allgemein gültig versteht, wofür eine Mehrheit voten würde. Jedenfalls war HR Giger dank seiner Fantasie rasch weltberühmt, was wiederum der Oscar unerschütterlich beweist, den der Schweizer Albtraumwandler 1980 für die Ausstattung des späteren Schlaflosklassikers Alien erhalten hat.

Dem Kunsthaus Wien ist es nun gelungen, eine erste große Retrospektive auf den Meister der wesentlich vom Biomechanischen inspirierten Geschmacklosigkeit auszurichten, was wiederum all jene freut, denen das schon längst vorher gelungen ist. Giger-Retrospektiven trifft man auch in Wien praktisch an jeder Ecke. Sie leben mittlerweile schon in der x-ten Generation, fahren, wenn irgend möglich, ein nacktes Motorrad und sind auch sonst bemüht, als böse erkannt zu werden.

Stolz tragen sie auf der Haut, was - so oder ungefähr so - Hansruedi, ihr schwarzer Meister aus Graubünden, ersonnen und ein Tätowierer aus Meidling oder Hernals künstlerisch frei drauflos gestochen hat. Vielen dürfte beim satanistischen Wallfahren ins Kunsthaus erstmals klar werden, dass sich auch Leinwände tätowieren lassen, und sie werden Skulpturen aus Aluminium, Bronze und Stahl finden, die einer ur tief gelegten Harley den letzten Schliff geben, den Heimskorpion ebenso erfreuen, wie den stets gemeinen Ordnungshüter erschrecken könnten. Das Merchandising jedenfalls sollte super laufen.

Wie im Traum

Anzunehmen ist aber auch, dass nicht nur Bekenner die Untere Weißgerberstraße stürmen werden, sondern auch Unmengen von äußerlich ganz unauffälligen Freunden des gepflegten Heavy-Metal-Kitsches, der Visual Effects fürs Jugend- und in der Folge dann Schlafzimmer. Kein Auge wird trocken bleiben darüber, wie kunstvoll HR Giger jede Körperöffnung stopft, wie Mensch und Maschine, das Engerl und der Teufel, wie Motor und Embryo sich auf ewig vereinen.

Und wie man auf all das kommt, sofern man nicht einfach nur die gängigen Märchen, Mythen und Moralisten trivialisiert, erklärt Giger mit einem, mit seinem Traum: "Erste Anzeichen der Angst machten sich bemerkbar, als ich plötzlich pissen musste und aufs WC ging. Der Rand der Schüssel wuchs langsam wie eine weit geöffnete Vagina meinem Penis entgegen, um ihn, so schien es mir, zu kastrieren. Zuerst belustigte mich diese Vorstellung, doch als plötzlich der ganze Raum immer enger wurde und die Wände und Röhren das Aussehen von schlaffer Haut mit eitrigen Wunden erhielten und mich aus den dunklen Ecken und Ritzen kleine widerliche Lebewesen böse anglotzten, wurde es mir allmählich unheimlich und ich drehte mich schnell dem Ausgang zu.

Die Tür war so unendlich weit weg und sehr schmal und hoch ..."
Bis 1. 10.
(DER STANDARD, Printausgabe vom 27./28.5.2006)


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