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04.07.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Symbole von Macht und Machotum
VON JOHANNA HOFLEITNER
MUMOK. Die erste Ausstellung fürs "Jahr des Sammelns" zeigt die EVN-Sammlung.

Ü
bers Ankaufsbudget wird beharr lich geschwiegen. Die Vorgabe lässt sich der Sammlungseigentü mer EVN nicht nehmen. Herauszufinden war nur, dass es so hoch nicht ist, wie die Qualität der fast 150, nun im Museum moderner Kunst ausgestellten Stücke von fast ebenso vielen Künstlern der jüngeren und mittleren Generation vermuten ließe. "Ein Topmanager könnte sich das mit seinem Jahresgehalt auch leisten", sagt Brigitte Huck, Kuratorin der Ausstellung und Mitglied des fünfköpfigen Expertenbeirats.

Seit zehn Jahren gönnt sich der niederösterreichische Energieversorger diese nun im MUMOK präsentierte Kunstsammlung, normalerweise ist sie in den Kommunikations- und Repräsentationsräumen der Firmenzentrale in Maria Enzersdorf zu sehen. Die Entscheidung über Ankäufe liegt ganz in den Händen des Kunstbeirats, dem neben Brigitte Huck Wienmuseum-Direktor Wolfgang Kos, der Schweizer Ausstellungskurator und Kunsttheoretiker Hans-Ulrich Obrist, der Wiener Kunsthändler Georg Kargl sowie Architekt Paul Katzberger angehören. Zu Beginn sorgsam ausgewählt, ist das Team seit 1995 unverändert - eine Kontinuität, die der Sammlung sichtlich gut tut.

Die fünf verbindet, dass sie alle ein gutes Gespür für kommende Entwicklungen an den Tag legen. Auf die Ankäufe bezogen heißt das, dass in der Regel relativ früh Werke von Künstlern erworben werden, die am Anfang einer internationalen Karriere stehen und somit noch verhältnismäßig niedrige Preise haben. Das impliziert aber auch, dass die Erwerbungen in vielen Fällen einen hohen Wertzuwachs aufweisen. Ein krasses Beispiel dafür ist ein im Format ungewöhnlich großes Ölgemälde der amerikanischen Pop-Romantikerin Elizabeth Peyton: 1996 entstanden und sofort vom Beirat angekauft, würde es heute das 80fache des ursprünglichen Preises kosten. Oder "Richard I.", ein präparierter Feldhase mit Löwenaugen vom Italiener Maurizio Catellan: Das auf einem Sockel postierte, wunderbar einnehmende Objekt, das vor zehn Jahren um 25.000 Schilling (!) angekauft wurde, wird heute auf 100.000 Euro geschätzt. Insgesamt hat eine vor zwei Jahren vom Auktionshaus Sotheby's vorgenommene Schätzung der Sammlung eine Wertsteigerung von 200 Prozent ergeben.

Für die Präsentation im MUMOK wurden nun fast alle Werke nach Wien verfrachtet. Um möglichst alles zeigen zu können, hat Beiratsmitglied Paul Katzberger, der generell für die architektonischen Belange des Konzerns und der Sammlung zuständig ist, eine kluge Ausstellungsarchitektur ersonnen, die durch den Einbau zweier U-förmiger weißer Kojen nicht nur viel Hängefläche schafft, sondern dank eingeplanter Lufträume der Museumsarchitektur auch viel von ihrer schwierigen Dominanz nimmt. Zusätzlich verwandelte er das durch einen Korridor angeschlossene westliche Drittel des Geschoßes in eine Blackbox, die die Video-Arbeiten von Markus Schinwald, Ann-Sofi Sidén, Nedko Solakov, Anri Sala und Milica Tomic u. a. ebenso wie die sparsam angekauften Lichtobjekte von Angela Bulloch und Jeppe Hein oder die schummrig-erotische Fotoinstallation Sam Taylor-Woods bestens in Szene setzt.

Wenngleich es bewusste Sammlungspolitik ist, keine expliziten Schwerpunkte zu setzen, ergeben sich im "hellen" Teil der Ausstellung doch einige spannende Konstellationen: etwa eine fast ganz von den Nichtfarben Schwarz, Weiß, Grau dominierte "Porträt"-Ecke mit einem Kleiderobjekt des Polen Pawel Althamer, Frottagen der Beiruter Künstlerin Mona Hatoum, einer in ihrem Realismus eher untypischen Papierarbeit Franz Grafs, einer aus Knetobjekten und Wattebauschzeichnungen gebildeten Familienaufstellung von Rosemarie Trockel und einem verführerischen Glasobjekt des jungen Brasilianers Marepe. Oder die Polit-Ecke mit einer Installation über die Großstadt des Italieners Luca Vitone, einer Fotoarbeit Hatoums, in der eine Frau Doc-Martens-Schuhe - Symbole von Macht und Machotum - hinter sich herzieht, und einem fragil collagierten Papierteppich der Polin Katarzyna Józefowicz.

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