Luftballone in Atemnot
Von Claudia Aigner
Luftballone brauchen vor allem eines, um wie Pflanzen zu
wachsen: viel Luft. (Secondhand-Luft, also schon einmal geatmete Atemluft,
ist bekanntlich ihr Hauptnahrungsmittel.) Andrea Kalteis lässt bis 13.
April in der Galerie Steinek (Himmelpfortgasse 22) Luftballone wuchern wie
extrem wachstumswillige Blütenblätter, die sich nun zu artischockenhaften
Kreaturen zusammenrotten. Und die steckt sie dann gerne in
samtüberzogene Schachteln, wo sie ihr Dasein als "Nachtschattengewächse"
fristen dürfen, die ihr schockierendes Grün oder geradezu geschmackloses
Pink ungesehen unter dem Deckel "verpulvern". Daneben setzt Kalteis
ihre luftleeren Luftballone (quasi Luftballone in Atemnot) gewissenhaft in
ein Webstück ein wie Setzlinge in ein Beet. Und arbeitet sozusagen am
"typisch weiblichen" Webstuhl wie Mutter Natur in der Landschaft draußen.
Anfangs war ich skeptisch, aber dann hat mich die handwerkliche
Akkuratesse der Objekte ja doch entwaffnet. Und spätestens bei der
"Schlafenden Frau im Kokon", einer Art biomorphem Sarg aus eng gewebten
chirurgischen Handschuhen, war eine Entwaffnung überhaupt nicht mehr
nötig. Der Handschuh-Kokon ist eine der gelungensten Metaphern zum Thema
Körperkult und zugleich ein gesellschaftskritischer, boshafter Kommentar
zum Phänomen Handarbeiten: Im OP werden aus "hässlichen Raupen"
wunderschöne Pamela Andersons oder Chers. Und eine schöne Frau ist eben
die Handarbeit eines plastischen Chirurgen. Saftig: die knalligen
Siebdrucke auf Samt, wo Kalteis ironisch-parodistisch die traditionelle
"Hirnlosigkeit" der Frau dementiert. "Die klugen Damen" nutzen jeden
Kubikmillimeter ihres geschwollenen Kopfes für ihren IQ aus und
verschwenden keinen Platz mehr für Haarwurzeln. Die Arbeiten von
Andrea Kalteis wirken mit einer kaum überbietbaren Unmittelbarkeit auf den
Betrachter. Um ihre Käufer zu rekrutieren, bedient sie sich also derselben
Tricks wie die Blumen: Ihre Objekte sind unwiderstehlich und nach
Möglichkeit bunter als die Arbeiten ihrer "Nebenbuhler". Kurz: Am Ende
fühlt man sich wie eine Biene überrumpelt.
Erschienen am: 19.03.2001 |
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