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Maler Prachensky tot: Rot war die Farbe seines Lebens

16.07.2011 | 11:23 | von BARBARA PETSCH (Die Presse)

Die Galionsfigur der österreichischen Avantgarde der Fünziger- und Sechzigerjahre ist im Alter von 79 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben.

Die Jungen haben heute einfach keinen Feuereifer mehr“, meinte Markus Prachensky zu seinem 75. Geburtstag 2007 im „Presse“-Interview. Feuer hatten die Maler der Nachkriegszeit genug gesehen. Sie stürzten sich mit Eifer auf die Kunst des Auslands: Frankreich (Informel), Amerika. Speziell der in den USA beheimatete Abstrakte Expressionismus – einer seiner wichtigsten Vertreter, Cy Twombly starb jüngst – zog den Innsbrucker Prachensky an. 1952 übersiedelte der Sohn eines Architekten nach Wien. An der Akademie studierte er bei Architekt Lois Welzenbacher. Doch wechselte er bald zur Malerei, freundete sich mit Wolfgang Hollegha, Joseph Mikl, Arnulf Rainer an. Heute wirken Farbflächen manchmal etwas einförmig.

Kampfansage an die NS-Zeit.
Damals hatten sie auch eine politische Aussage: Nach dem biederen Realismus der Nazizeit sollten Farben spontan, wild und fröhlich aus ihren Konturen strömen. Das Leben selbst wurde gefeiert und gleich wieder übermalt (Rainer), im Bewusstsein seiner dunklen Seite.

Um Monsignore Otto Mauer und seine Wiener Galerie nächst St. Stephan sammelte sich die Avantgarde. Prachensky war dabei. Werner Hofmann, Gründungsdirektor des Wiener Museums moderner Kunst, zeigte Bilder von Prachensky, Rainer, Hollegha, Mikl in der Secession. Der neue Stil löste die ewige „Kann das nicht jeder?“-Kontroverse der Kunstgeschichte aus.
Prachensky war nicht nur ein großer Maler, sondern blieb immer auch ein kantiger Tiroler: „Ich wollte kein liebes Burli sein, sondern etwas nach der Zeit des NS-Terrors verändern“, sagte er und stellte erstmals das französisch inspirierte Schüttbild in Wien vor. 1959 zeigte er bei der Documenta II in Kassel Grafiken – und sorgte für Aufsehen mit der Vorführung seiner „Peinture Liquide“ im Theater am Fleischmarkt in Wien. Die Frage, wer zuerst geschüttet hatte, löste eine anhaltende Kontroverse mit Hermann Nitsch aus. Profitiert haben alle zwei: Werke beider sind heute enorm gefragt und kostspielig.



Farbenspiele aus aller Welt, Jazz.
Prachensky war sprachbegabt und reiste viel. Überall fand er Farbwunder: in der Wüste, an den Salzseen Kaliforniens, in Mexiko City, Bali, Bangkok, Mauritius und vor allem in Italien. Seinen Werken gab er passende poetische Titel: „Die rot-rote Reise des Markus P.“, „Umbria Quartetto“, „Poseidon Stomp“. Wie alle Nachkriegskinder liebte er besonders den Jazz – ebenfalls verboten in der NS-Zeit – und bezog etwa Duke Ellington in seine Arbeiten ein: 1977 entstanden die Serien über „S. Angelo-Duke“. 2007 griff er das Thema neuerlich auf und malte „Swing de Provence“. In seiner zweiten Frau Brigitte fand Prachensky seine Lebensliebe und Muse. Ab 1970 gab es nicht nur künstlerischen, sondern auch finanziellen Erfolg. „Sein Gewicht stieg synchron zu seinem Einkommen“, spottete die Gattin. Doch es war mehr als die Waage, was Prachensky zu schaffen machte: Autolackfarben, die er verwendet hatte – und Zigaretten. Sein 75. Geburtstag wurde groß gefeiert: Die Sammlung Essl – Karlheinz Essl ist auch ein großer Nitsch-Fan – stellte Prachenskys Früh- und Spätwerk aus. Bundespräsident Fischer überreichte seinem Freund das Große Goldene Ehrenzeichen. Nach schwerer Krankheit ist Prachensky nun gestorben.

ORF 2 ändert am Sonntag, den 24. 7., sein Programm und zeigt: „Rot ist die Farbe meines Lebens – Markus Prachensky im Portrait“ (10.05 h).


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