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Kunstberichte

Das Belvedere präsentiert das Ornament als neue globale Kunstsprache

Wurm im Glitzernetz

Wie weiblich ist das Ornament in der Kunst? Im Bild: Shirin Neshats Werk "Stripped" (1995). Foto: Shirin Neshat

Wie weiblich ist das Ornament in der Kunst? Im Bild: Shirin Neshats Werk "Stripped" (1995). Foto: Shirin Neshat

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Das Ornament wurde 1908 in Wien noch als Verbrechen gegen die funktionale moderne Kunst gesehen. Hundert Jahre nach Adolf Loos erklärt Kuratorin Sabine Vogel nun das Ornament zur neuen globalen Kunstsprache – zu sehen in der Ausstellung "Die Macht des Ornaments" in der Orangerie des Belvedere.

Was im gegenwärtigen Klimtfieber gern vergessen wird, ist die Frauenverachtung der Wiener Moderne um 1900. Das Dekorative wurde als weiblich gesehen, der Jugendstil als feminisierte Kunst. Tapeten in den Räumen der Männer waren streng geometrisch, in den Damenzimmern hingegen lieblich floral. Zum Glück sind wir davon heute weit entfernt. Die Frage, ob das Ornament in der Kunst immer noch weiblich ist – bleibt in der Ausstellung offen. Ein Ironiefaktor?

Am Beginn der Schau werden Gustav Klimts "Wasserschlangen" kontrastiert mit Josef Hoffmanns "Quadrateln" und den Illustration der Nibelungen von Carl Otto Czeschka. Weiter geht es mit Gegenwartskunst. Die subjektive Auswahl ist gut getroffen, nicht nur weil Hema Upadhay oder Philip Taaffe gut zu den Räumen im barocken Belvedere passen. Die Abstraktion von Hoffmann wiederholt sich auch bei Esther Stocker oder in den Spiegelobjekten Monir Shahroudy Farmanfarmaians. Rashid Rana collagiert kleine Schlachthausfotos zu Wandteppichen – nicht nur Parastou Forouhar verbirgt Figuren im Ornament.

Politisches Ornament

Hier wird neben dem Bildverbot im Islam auch politisiert: Mona Hatoum und Shirin Neshat sind dafür bereits weltberühmt, weniger der Inder Raqib Shaw, der sadistisches Sexspiel und Würmer zu mythischen Kriegsszenen mit glitzernden Glassteinen stilisiert.

Die bekannte Konfrontation Markus Brüderlins im Museum Beyeler in Basel (2001) dient als Vorgeschichte. Er stellte Abstraktion als Ornament des 20. Jahrhunderts dar. Nun kommen aktuelle Aspekte dazu, wie der des Verhüllens.

Bei Adriana Czernin wird das Ornament zur Bedrohung, in seiner Schönheit können sich sogar brutale Folterszenen verbergen.

Maria Hahnenkamp donnert indes ihr Blumenmuster als kurzfristig bestehende Zeichnung mit dem Bohrer in die weiße Wand.

So unterschiedlich die einzelnen Positionen auch sind, etwas scheint die Kunst des Ornaments weltweit zu verbinden: der hohe ästhetische Anspruch.

Aufzählung Bildende Kunst

Die Macht des Ornaments

Sabine Vogel (Kuratorin) Orangerie, Unteres Belvedere, bis 17. Mai

Printausgabe vom Mittwoch, 21. Jänner 2009

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