100 Afrikaner flüchteten mit diesem Boot. |
| FESTIVAL DER REGIONEN: Entlang der B138 im Bezirk Kirchdorf zeigen 27 Projekte denkende Kunst - zu sehen bis 8. Juli | |
Fluchtwege und Sackgassen als Wahrnehmungswiderhaken |
Unter dem Thema "Fluchtwege und Sackgassen" fädelt das Festival der
Regionen vom 23. Juni bis 8. Juli im Bezirk Kirchdorf entlang der B138
Kunstwerke wie Glasperlen auf.
In Schlierbach, Kirchdorf an der
Krems, Micheldorf, Klaus, St. Pankraz und Windischgarsten stehen
Objekte, Installationen und Visualisierungen klar und doch beinahe
durchsichtig im Raum. Der flüchtig Durchreisende wird sie kaum
bemerken. Für den Suchenden werden sie im Augenblick des Entdeckens
aber zu Wahrnehmungswiderhaken.
Aus über 300 Einreichungen
wurden 27 Projekte ausgewählt, die zwischen Beschleunigung und Rückzug
pendeln. Etwa Rudy Geisslers paradoxes "Besuchen Sie uns nicht" auf
Plakatwänden an den Grenzen von Kirchdorf, mit abschließendem Pfeilchen
nach rechts außen.
Durch die Ortsstraßen der Region zieht sich
eine gelbe Linie, die den Gang hunderter Zwangsarbeiter über den
Pyhrnpass nach Mauthausen stigmatisiert.
Die Markierung wird
immer wieder gebrochen durch den Text: "Todesmarsch ungarischer Juden
April 1945". Der Münchner Künstler Wolfram P. Kastner führte in seiner
Arbeit "Furchtbare Wege" auch Interviews mit noch lebenden Opfern und
Einheimischen und stellt in einer parallel laufenden Ausstellung im
Gemeinderatssitzungssaal von Kirchdorf unter anderem die Frage: Warum
gibt es in der Region so viele Denkmäler für die Krieger und kein
einziges für die Opfer des Naziregimes?
Pia Lanzinger hat die
Kirchdorfer nach ihrer Beziehung zu fremden Ländern befragt, wohin sie
gern reisen, oder von wo sie ursprünglich herkommen - und hat aus den
Antworten und Geschichten der Bewohner und Bewohnerinnen mit Texten auf
Hauswänden und Schaufensterscheiben ein Panorama ohne Horizont über den
ganzen Ort gelegt.
Im leer stehenden Supermarkt in Kirchdorf
haben die Exponate mehrerer Künstler Unterschlupf gefunden. Veronika
Hofinger zeigt Fotos von Gefängnisräumen, Ralo Mayer und Philipp Haupt
haben sich mit einer Videoinstallation auf die Suche nach der Zukunft
des Kremstals begeben, während Johanna Kirsch in ihrem Dokumentarfilm,
einem Reiseblog über fünf Tage, zeigt, dass es in kultivierten Räumen
beinahe unmöglich ist, nicht auf ausgetretenen Pfaden zu wandern, auch
wenn man's darauf anlegt.
Zwischen all diesen und noch vielen
weiteren Bewegungen steht auf dem Dach des Stiftes Schlierbach die
Frage: "Wer genießt Sicherheit" ganz ohne Fragezeichen wie eine ratlose
Behauptung im Raum. Gleich auf dem Feld unterhalb des Stiftes liegt ein
gestrandetes Flüchtlingsschiff aus Afrika.
Das Festival der Regionen 2007 präsentiert denkende Kunst.
vom 23.06.2007 | |
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