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vom 03.05.2007 - Seite 022
Im Lentos springt die Funke über

Sowohl als Frau als auch als Künstlerin bewegte sie sich außerhalb der Normen ihrer Zeit: Die erste große Museumsretrospektive von Helene Funke (1869-1957) zeigt das Linzer Kunstmuseum Lentos bis 11. September.

VON IRENE JUDMAYER

"... Immer und immer wieder lese ich den Steppenwolf und finde so viel tiefst verwandte Gedanken und Empfindungen dazu, dass ich immer wieder Dank sagen muss, dass Sie dies Buch geschrieben haben. Ich bin eben selbst ein einsamer Steppenwolf..." - Das schrieb Helene Funke im Jahr 1944 an Hermann Hesse. Dessen Frau Ninon stand der aus Chemnitz stammenden Malerin oft Modell und schrieb ihrem Mann: "Ich wollte, du könntest ihre Bilder sehen: Sie glühen!"

Das beweisen auch die stilistisch vielseitigen Gemälde, die neben Graphiken, Schriftproben und Aquarellen jetzt im Lentos zu sehen sind: Funke war eine Meisterin im Umgang mit der Farbe. Virtuos (wie derzeit etwa Xenia Hausner) platzierte sie zwei Hauptkontraste der Bildenden Kunst, nämlich Qualitäts- und Quantitätskontrast.

Der erste entsteht im Dialog von leuchtenden und neutralen Farben. Der zweite betrifft das Größenverhältnis von Farbflecken zueinander. Das leuchtet tatsächlich, das glüht - und flugs springt bei dieser von Lentos-Kunsthistorikerin Elisabeth Nowak-Thaller bestens aufbereiteten und thematisch gegliederten Präsentation Funkes Funke über. Gute Bildbeispiele dafür: "In der Loge" (1904/07) und "Die Träumende" (1913).

Über Funkes Jugend weiß man wenig. Luftangriffe auf Chemnitz haben alte Dokumente und viele Werke zerstört. Auch ihre Hinterlassenschaft gab wenig Auskunft, da sich die Erbin auf die Bilder konzentrierte. Sicher ist: Sie stammte aus gutbürgerlichem Haus (Mutter aus Hugenotten-Adel), "Künstlerin" zu werden, war verpönt. Helene tat es trotzdem, verließ mit 29 ihr Zuhause und wagte sich in die "Wildnis" der Münchner Bohème.

Die Kritik unterstellte ihren (damals verbotenen) Frauenakten "eine fast perverse Betonung der Sinnlichkeit", verspottete ihre Experimentierlust, die auch stilistische Nähen (wie zu van Gogh oder zum Kubismus) nicht scheute. Ab 1911 lebte Funke in Wien, wo sie mit 88 Jahren völlig verarmt starb.

Dass das Lentos - wenn auch erst fünfzig Jahre nach Funkes Tod - diese bahnbrechende Kunst-Frau museal würdigt, zeichnet es wirklich auch als umtriebigen "Agenten von Geschichtsschreibung" aus.

Zur Ausstellung

Verarbeitete die Impulse ihrer Zeit: Unterschiedliche Arbeiten von Helene Funke Foto: Lentos

Dauer: bis 11. 9. 2007

Öffnungszeiten: tgl. 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr

Führungen: Kuratorenführung mit Elisabeth Nowak-Thaller am 20. Mai, 16 Uhr (0732/ 7070-3605). Jeden Donnerstag "art after work" (19 Uhr), jeden Sonntag "Kunstgeschichten" (16 Uhr). Persönliche Terminvereinbarungen unter 0732/ 7070-3600

Katalog: Erster Funke-Bildband mit 150 Farbabbildungen, 224 Seiten und einführenden Texten (28 Euro)


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