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23.07.2003 - Ausstellung
kunst.Meran: Heimkehr des "Optantenkindes"
Er sei "kein retrospektiver Mensch", sagt Oswald Oberhuber. Das neue Kulturzentrum kunst.Meran zeigt dennoch eine Personale - vom "Schmutzigen Fell" über den "Bildroman" bis zum Spital-Aktionismus.
VON KRISTA HAUSER


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in Plakat in Packpapierbraun, des Künstlers Konterfei mehrmals in Schwarz-Weiß, etwas skeptisch sich selbst und die Welt betrachtend, umrahmt von Schriftbildern: Oberhuber pur. So hat man den Zeichner, Objektemacher und Maler, den Kunstmanager und Theoretiker, den Utopisten und Realisten in den siebziger und achtziger Jahren gekannt. Und so wirbt kunst.Meran, das neue Kulturzentrum unter den Lauben für die Ausstellung Oswald Oberhubers.

Das "Optantenkind" ist heimgekehrt. Als Achtjähriger musste Ossi wie viele andere Südtiroler Meran verlassen und zog mit der Mutter nach Innsbruck. "Von der Wärme in die Kälte", beschrieb er Jahrzehnte später in einem autobiografischen Text in Wien den Schock der Übersiedlung. Eine enge Beziehung zur südlichen Stadt der Kindheit ist geblieben, und so war der 73jährige über die Einladung in das vorbildlich adaptierte Kunsthaus fast ein wenig gerührt. Geplant hatte er für seine Personale natürlich Neues, da er "kein retrospektiver Mensch" sei und zudem "immer etwas machen möchte". Installationen, speziell für die auf drei Etagen verteilten Räume wollte er konzipieren.

Doch ein schwerer chirurgischer Eingriff (Amputation im Fußbereich) machte seit Monaten Arbeiten im großen Stil unmöglich. Also entschied er sich gemeinsam mit Kurator Andreas Hapkemeyer für eine Retrospektive. Titel: "Mutazione - Permanente Veränderung", sein Kunst- und Lebensmotto, sein intellektuelles Aushängeschild.

Arrangiert - oder besser: inszeniert - wurde die Schau natürlich nicht ohne ihn, auch wenn er weder hämmern noch hängen oder gar schleppen konnte. Unter dem Glasdach, das Licht in alle Stockwerke bringt, weht ein "Bildroman", ein Stoffbild aus dem Jahr 1962, das schon bei der Schau im MAK zum Lesen animierte.

Oberhuber weiß, wie man neugierig macht, auch wie man die großen informellen Plastiken auf knappem Raum stellen muss, um Durchblicke zu schaffen, wie man lachende, zornige und schlafende Kindergesichter auf einem Riesenbild von 1965 ins rechte Licht setzt. Italienische Kunstfans interessieren sich besonders für das Ambiente à la "arte povera": Ein dunkles Tuch mit Drachenmustern auf dem Boden drapiert, datiert 1984. Daneben eine freche Gerümpelplastik, Holzkiste und Drahtgeflecht, an der Wand ein Gebilde mit dem Titel "Schmutziges Fell" aus dem Jahr 1953. Der Materialhinweis "Gips, Öl, Fett" weckt Assoziationen an den Mann mit dem Filzhut, an Joseph Beuys, verleitet zu Geruchstest, die aber ergebnislos bleiben. Gips war stärker als Fett, das Handwerk hat überdauert.

Auch wer die vielen Rösselsprünge des Künstlers kennt, sein Wechselbad in allen Medien, muss zugeben: In Meran hat er eine Reihe der 180 Arbeiten in Spannung zueinander, in neuen Kontext gesetzt. Kleine Fotos eines Aktionismus-Intermezzos: Oberhuber 1966 beim Bettenmachen im Spital. In unmittelbarer Nähe ein Zyklus mit 50 Zeichnungen und dem Bekenntnis "Die Erotik lebt vom Hoffen", entstanden 1993 im Rehabilitationszentrum.

Frühe informelle Arbeiten, eine "Flammende Landschaft", ein "Wasserbild", ein poppiger Oberhuber, der die Zähne fletscht, oder ein einsames "Ich", ein helles Selbstporträt, zeitlos, auch wenn es irgendein Datum trägt. Was Oberhuber in dem Buch "Lust auf Worte" zitiert, passt zu seiner Meraner Retrospektive: "Die Kunst ist nicht notwendig. Sie ist Spiel und Unterhaltung, Verkleidung, Utopie und Illusion, ein bunter Haufen von Möglichkeiten geistiger Auseinandersetzung."
Bis 31. August, Di 16 bis 22 Uhr, Mi bis Sa 10 bis 13, 16 bis 20 Uhr, So 14 bis 20 Uhr. www.kunstmeranoarte.com



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