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in Plakat in Packpapierbraun, des Künstlers Konterfei mehrmals in
Schwarz-Weiß, etwas skeptisch sich selbst und die Welt betrachtend,
umrahmt von Schriftbildern: Oberhuber pur. So hat man den Zeichner,
Objektemacher und Maler, den Kunstmanager und Theoretiker, den Utopisten
und Realisten in den siebziger und achtziger Jahren gekannt. Und so wirbt
kunst.Meran, das neue Kulturzentrum unter den Lauben für die Ausstellung
Oswald Oberhubers.
Das "Optantenkind" ist heimgekehrt. Als Achtjähriger
musste Ossi wie viele andere Südtiroler Meran verlassen und zog mit der
Mutter nach Innsbruck. "Von der Wärme in die Kälte", beschrieb er
Jahrzehnte später in einem autobiografischen Text in Wien den Schock der
Übersiedlung. Eine enge Beziehung zur südlichen Stadt der Kindheit ist
geblieben, und so war der 73jährige über die Einladung in das vorbildlich
adaptierte Kunsthaus fast ein wenig gerührt. Geplant hatte er für seine
Personale natürlich Neues, da er "kein retrospektiver Mensch" sei und
zudem "immer etwas machen möchte". Installationen, speziell für die auf
drei Etagen verteilten Räume wollte er konzipieren.
Doch ein schwerer chirurgischer Eingriff (Amputation im
Fußbereich) machte seit Monaten Arbeiten im großen Stil unmöglich. Also
entschied er sich gemeinsam mit Kurator Andreas Hapkemeyer für eine
Retrospektive. Titel: "Mutazione - Permanente Veränderung", sein Kunst-
und Lebensmotto, sein intellektuelles Aushängeschild.
Arrangiert - oder besser: inszeniert - wurde die Schau
natürlich nicht ohne ihn, auch wenn er weder hämmern noch hängen oder gar
schleppen konnte. Unter dem Glasdach, das Licht in alle Stockwerke bringt,
weht ein "Bildroman", ein Stoffbild aus dem Jahr 1962, das schon bei der
Schau im MAK zum Lesen animierte.
Oberhuber weiß, wie man neugierig macht, auch wie man die
großen informellen Plastiken auf knappem Raum stellen muss, um Durchblicke
zu schaffen, wie man lachende, zornige und schlafende Kindergesichter auf
einem Riesenbild von 1965 ins rechte Licht setzt. Italienische Kunstfans
interessieren sich besonders für das Ambiente à la "arte povera": Ein
dunkles Tuch mit Drachenmustern auf dem Boden drapiert, datiert 1984.
Daneben eine freche Gerümpelplastik, Holzkiste und Drahtgeflecht, an der
Wand ein Gebilde mit dem Titel "Schmutziges Fell" aus dem Jahr 1953. Der
Materialhinweis "Gips, Öl, Fett" weckt Assoziationen an den Mann mit dem
Filzhut, an Joseph Beuys, verleitet zu Geruchstest, die aber ergebnislos
bleiben. Gips war stärker als Fett, das Handwerk hat überdauert.
Auch wer die vielen Rösselsprünge des Künstlers kennt,
sein Wechselbad in allen Medien, muss zugeben: In Meran hat er eine Reihe
der 180 Arbeiten in Spannung zueinander, in neuen Kontext gesetzt. Kleine
Fotos eines Aktionismus-Intermezzos: Oberhuber 1966 beim Bettenmachen im
Spital. In unmittelbarer Nähe ein Zyklus mit 50 Zeichnungen und dem
Bekenntnis "Die Erotik lebt vom Hoffen", entstanden 1993 im
Rehabilitationszentrum.
Frühe informelle Arbeiten, eine "Flammende Landschaft",
ein "Wasserbild", ein poppiger Oberhuber, der die Zähne fletscht, oder ein
einsames "Ich", ein helles Selbstporträt, zeitlos, auch wenn es irgendein
Datum trägt. Was Oberhuber in dem Buch "Lust auf Worte" zitiert, passt zu
seiner Meraner Retrospektive: "Die Kunst ist nicht notwendig. Sie ist
Spiel und Unterhaltung, Verkleidung, Utopie und Illusion, ein bunter
Haufen von Möglichkeiten geistiger Auseinandersetzung."
Bis
31. August, Di 16 bis 22 Uhr, Mi bis Sa 10 bis 13, 16 bis 20 Uhr, So
14 bis 20 Uhr. www.kunstmeranoarte.com
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