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Ausstellungen 
   
   
  75  Walter Pichler, Prototypen  Georg Schöllhammer  
    Generali Foundation, von 15.05.1998 bis 19.08.1998
   
   
Walter Pichlers Ausstellung »Prototypen«, die 1967 in der Wiener Galerie nächst St. Stephan zu sehen war, paßt bis heute nicht in die gängigen Erzählungen von bildender Kunst im Wien der sechziger Jahre. Diese Erzählungen gehen von widerständigen, tief in katholisch-barocken Mythologien und mit lokalen Traditionen kämpfenden Avantgarden aus und stellen diese Avantgarden – den »Wiener Aktionismus«, die »Wiener Gruppe«, den »Wiener« Experimentalfilm etc. – schon über ihre Namen als selbstbezüglich und ortsfest vor.

Die künstlerische Polemik gegen die kulturellen Ordnungsprinzipien der sozial und politisch restaurativen Wiener sechziger Jahre hatte aber auch eine andere Seite: die war modisch und gab sich weltläufig. Und sie ist bis heute aus dem Feld der bildenden Kunst verdrängt in das der Architektur. Namen? Hans Hollein, Raimund Abraham, Coop Himmelblau.

Mit der Restaurierung und Neupräsentation der »Prototypen«, die dreißig Jahre lang aus dem Kunstbetrieb verschwunden waren, hat die Wiener Generali Foundation nun ein Licht auf dieses Stück österreischischer Verdrängungsgeschichte geworfen. Denn auch innerhalb der bildhauerischen Arbeiten von Walter Pichler sind die »Prototypen« ein auf den ersten Blick erratischer Block. Anders als das umhegte übrige Werke hatte er sie bisher fast schamhaft versteckt: den TV-Helm, die pneumatische Skulptur »Großer Raum«, die symbolisch aufgeladenen Möbelparaphrasen und Körpererweiterungsapparaturen, die Schwellen-Plastiken und Kleinobjekte. In der großen Halle der Generali aufgestellt, wirkten sie fast ein wenig verloren, wie kuriose Fundstücke aus der Zeit der Mondlandung, vom Museum zu Skulpturen nobilitiert. Zu Recht?

Pichler und sein Co-Kombatant Hans Hollein hatten in jenen Jahren die Befreiung der Architektur von den Zwängen des Bauens und der Skulptur aus den Zwängen erstarrter Abstraktion gefordert. Hollein hatte Architektur als Kommunikation definiert – »ein Gebäude kann ganz Information werden, seine Botschaft könnte ebenso nur durch die Medien erlebt werden« – und von ihr als der »Konditionierung eines psychologischen Zustandes« gesprochen.

Oswald Wiener wieder, ein weiterer Mitdenker bei Pichlers Skulpturenprojekten, hatte in einem Pichler gewidmeten Text die Cyborg-Phantasie eines Apparates entwickelt, der das Bewußtsein von seinen organischen Grundlagen, vom Körper, befreit.

All diese Konzepte zogen eine eigenartig solipsistische Summe aus den Phantasien des Pop-age und bedienten sich modisch und zynisch bei dessen Leitfiguren – Marshall McLuhan, Timothy Leary, Wilhelm Reich.

Diese selbstbezogene, selbstverliebte Haltung stand auch hinter den »Prototypen«, die schon damals international weit rezipiert wurden. Sie waren eine Objekt gewordene Mischung aus Pop und Funktionalismuskritik. Die Gruppe um Pichler und Wiener berief sich mit Pop auch in ihrer Selbstdarstellung als modische Dandys, denen Courreges und Paco Rabanne wichtiger waren als Martin Heidegger und Jackson Pollock, auf ein im sozial-kameralistischen Mief Österreichs fremdes Stilfeld. Man ließ sich von italienischen Modefotografen vor der Arbeit fotografieren und nicht von ExperimentalfilmerInnen bei Aktionen beobachten.

Pichlers »Prototypen« spielen mit der Ästhetik des Produktdesigns jener Jahre. Objekte aus diesem Bereich verwandeln sich in ihnen gleichsam zu kleinen Mausoleen ihrer eigenen Funktionalität, wachsen zur pathetisch-monumentalen Hülle aus, dienen narzißtischen Männer-Subjekten als Instrumente zur Mediatisierung der eigenen Wahrnehmungen. Die Funktionalismuskritik, auf die die Arbeit auch abzielt, verschwindet dabei oft hinter einer ästhetizistischen Mythisierung der Formenwelt der Technik. Die Gesellschaftskonzepte von Pop bleiben sozusagen außen vor. Die Arbeit bleibt bildhauerisch.

Versatzstücke technologischer Architekturvisionen, der Formenvorrat aus Technologien wie Autobau, Militär oder Raumfahrt erscheinen hier in einer letztlich modernistischen Konzeption der autonomen Skulptur.

Emanzipatorische Gedanken über die Rolle der BetrachterInnen machte man sich nicht. Sie hatten im Objekt nichts zu suchen, außer sie wurden selbst Objekt.
 
     

© 1997-99 springerin