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Residenzgalerie

Laues Lüftchen über Wipfel und Gipfel

17. August 2011 17:03
  • Artikelbild: Der deutsche Fotograf Michael Reisch tilgt jede Spur menschlicher 
Anwesenheit aus den alpinen Landschaften.  - Foto: Hengesbach, Berlin

    Der deutsche Fotograf Michael Reisch tilgt jede Spur menschlicher Anwesenheit aus den alpinen Landschaften.

Die Ausstellung "Alpen: Sehnsuchtsort & Bühne" in der Residenzgalerie ist flach statt steil geraten

Salzburg - Lawinenverbauungen und von Skiern durchpflügte Hänge, aufgenommen im Licht der Pistenraupe. Eine der 12.000 Seilbahnstationen und Lifttrassen der Alpen. Gregor Sailers Fotos der Berge sind von spröder Schönheit. Allein fotografische Könnerschaft, formale Zutaten wie Perspektive, Ausschnitt, Licht und Schärfe machen ihre Ästhetik aus. Denn im Grunde zeigen seine Aufnahmen das, was beim klassischen Postkartenmotiv ausgeblendet bleibt. Der Landschaftsfotograf würde erst den die Aussicht versperrenden Grat erklimmen und dann den Auslöser drücken.

Es sind die Eingriffe des Menschen in die Tiroler Bergwelt, die "Urbarmachung" des Hochalpinen für den Tourismus, die er in der Werkserie Ladiz/Alpen ebenso inszeniert, als handele es sich um eine angezuckerte Winterlandschaft in einem Reiseprospekt.

"Großbetrieb des Naturgenusses" heißt dieses Kapitel der Ausstellung Alpen. Sehnsuchtsort & Bühne, in der Sailers Arbeit dem alpinen Werbegesicht in Plakaten der 1930er- bis 1960er-Jahre von Alfons Walde oder Josef Prem gegenübergestellt ist.

Ein reizvoller, im Ansatz konfrontativer Dialog, in seiner Inszenierung jedoch schaumgebremst. Auch in der restlichen Ausstellung über den Wandel des Alpenbildes vom 16. bis ins 21. Jahrhundert fällt er allzu zaghaft aus. Nur hie und da stört ein zeitgenössisches Werk die Ordnung und Einheit lieblicher Alpenmalerei.

Viel konzentrierter hätte die Auswahl der romantischen Berglandschaften ausfallen müssen, um die Spannung zwischen damals und heute nicht zu verwässern. Aber es ist verständlich: Schließlich verstehen es die Bergidyllen von Hubert Sattler oder Georg Friedrich Waldmüller auch, dem zeitgenössischen Auge zu schmeicheln. Das schroffe, harte Gesicht, das die Berge den Älplern über die Jahrhunderte präsentierten, Widrigkeiten und Gefahren des Hochgebirges fehlen in der Schau, die schließlich auch versucht, ein Stück Kulturgeschichte zu erzählen. Ebenso sind jene wissenschaftlichen Expeditionen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Gletscherregionen führten, mit zwei Gustav-Jägermayer-Fotos viel zu spärlich bebildert.

Trotz schöner Arbeiten ist Alpen mehr laue Sommerfrische denn herausfordernde Gipfeltour. Inszenatorisch blieben Chancen ungenutzt, inhaltlich wäre mehr drin gewesen, als "Sehnsuchtsort" römisch I, II und III. Hinter den Ansätzen des Katalogs, etwa zum Erhabenen und den Blickregien von Aussichtsplattformen, bleibt die Schau weit zurück. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 18.8.2011)

Bis 6. 11.

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