Michael Kienzer (48), Gironcoli-Schüler, zeigt in der Innsbrucker Galerie Thoman Arbeiten, die – bis auf eine – alle im heurigen Jahr entstanden sind. Aufregend unaufgeregte Setzungen im Raum, die auf den ersten Blick wie zufällige Anhäufungen alltäglicher Materialien wirken, bis man erkennt, dass hier nichts zufällig ist. Dass hier ein Künstler am Werk ist, der das Spiel mit Materialien kunstvoll ausreizt, das Jonglieren mit Linearem und Flächigem, mit Farbigem und Strukturalem, mit Hartem und Weichem, mit Offenem und Geschlossenem.
Ein zentraler Gegenstand ist der Ausgangspunkt der meisten dieser Arbeiten, etwa ein altes hölzernes Stativ oder ein ausrangierter Drehstuhl. Entfremdet ihrem ursprünglichen Kontext und somit abstrahiert zum puren Material, werden sie zu Keimzellen skulpturaler Formfindung, die Kienzer als spannenden Prozess aus Aktion und Reaktion beschreibt, in dem so manches auch einfach passiere, teilweise wieder korrigiert werde oder auch nicht. Wichtig ist dabei, dass Kienzer die von ihm verwendeten Materialien nie vergewaltigt, sondern sich total auf ihre Eigenschaften einlässt: Das Abflussrohr letztlich Abflussrohr sein lässt, die verzinkte Stahlschiene nicht zu verbiegen versucht, um andererseits die Weichheit einer Kunststoffplatte und ihre hochglänzende Oberfläche ebenso als formale Elemente in seine Skulpturen einzubringen. Auch die Farbe hat in diesem Kontext ihren Platz als im weitesten Sinn poetisches Element, lässt die große Gummiplatte in einer seiner neuen Arbeiten doch in ihrem warmen Gelb intuitiv an Honig oder Bernstein denken.
Schräge Einheit. Indem Kienzer das scheinbar
Gegensätzlichste zu einer – wenn auch schrägen – Einheit verbindet,
gelingt ihm die Illusion einer eigenartig berührenden, mit nichts
anderem vergleichbaren figuralen Körperlichkeit. Wichtig ist dem
Künstler auch die Transparenz seiner Arbeiten. Nach wie vor arbeitet er
gern mit Schichtungen, mit dem ausgeklügelten Stapeln
unterschiedlichster Materialien. Gipskartone, Platten aus Holz, Glas,
Aluminium und Kunststoff hat er etwa in der Arbeit mit dem Titel „20 x
94°“ kunstvoll aufeinandergelegt. Die Idee zu dieser Skulptur sei ihm
beim Aufräumen des Ateliers entstanden, gesteht er. Er habe bei diesem
lästigen Tun auch seinen Kopf aufgeräumt.
Charakteristische Knäuel. Nicht fehlen darf in
einer Kienzer-Ausstellung einer seiner Knäuel: Diesmal ein aus einem
Aluminiumkabel gewickelter und an die Galeriewand gehängter. Die
einzige ältere – zwei Jahre alte – Arbeit, die „Zeitvertreib“ heißt,
macht ihrem Namen alle Ehre. Bedeutet das Entschlüsseln der zwischen
Gläser geklebten Buchstaben doch einen Zeitvertreib, intellektuell,
ästhetisch. Kienzer versteht sich als Bildhauer, auch als Zeichner.
Dass er dieses Handwerk auch im klassischen Sinn exzellent beherrscht,
zeigen einige ebenfalls bei Thoman zu sehenden, wunderbar aus dem
Handgelenk geschüttelten Arbeiten auf Papier. (Thoman Innsbruck: bis
30.10.)