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Kunstberichte

Das MAK zeigt in seiner Ausstellungshalle "Anish Kapoor. Shooting into the Corner"

Kunstwelt aus der Kanone

Die Kunst von Anish Kapoor ist ein Schuss in die Ecke – zu sehen im MAK. Foto: Anish Kapoor

Die Kunst von Anish Kapoor ist ein Schuss in die Ecke – zu sehen im MAK. Foto: Anish Kapoor

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Seine Skulpturen erschaffen sich fast von selbst: Der 1954 in Bombay geborene und in London lebende Anish Kapoor ist ein Weltstar in der Kunstszene. In der MAK-Ausstellungshalle zeigt er vier monumentale Arbeiten unter dem Titel "Shooting into the Corner."

Sein Material ist Wachs, Vaseline und ein Gemisch aus Pigmenten, abgefüllt in gestapelten Gefäßen. Alle zwanzig Minuten katapultiert eine Kanone, bedient von einem Mann im schwarzen Overall, mit fünfzig Stundenkilometern die weiche und blutrote Masse an die Wand.

Das Hauptwerk der Präsentation erinnert nicht ganz zufällig an die Spontaneität der im Wiener Aktionismus verwendeten Materialien, der Künstler sammelt Werke Rudolf Schwarzkoglers. Auch das von Joseph Beuys verwendete Fett und die Konfrontation von Hart und Weich in der italienischen "Arte povera" ist präsent. Der Schock über die Lautstärke des Katapults bildet einen Gegensatz zu dem weichen Effekt der sich in der Raumecke unkontrolliert ausbreitenden Masse. Zwanzig Tonnen soll die Zufallsskulptur am Ende schwer sein. Eigentlich geht Kapoor aber vom Malerischen aus; seine subtilen Papierarbeiten sind allerdings leider nur im Katalog zu sehen.

Die übrigen drei Monumentalskulpturen transportieren das Veränderliche mit beweglichen Balken aus Holz oder Metall. Die eigentlich minimalistische Unterkonstruktion wird dabei völlig von den weichen roten Wachsflächen überdeckt. Die restliche Farbe bildet kleine Haufen vor dem Objekt und erinnert an die Tropfenmethode des amerikanischen "Action Paintings."

Doch Kapoors Kunst ist auch eine aktuelle Verbindung künstlerischen Denkens zwischen Ost und West. Das Rot hat neben dem Blut der Aktionisten mehr mit Indien zu tun: "My Red Homeland" hieß die erste raumgreifende Skulptur dieser Art 2003. Die Schönheit des Pigments ist haptisch mit der Sinnlichkeit einer organisch anmutenden Oberfläche der Plastiken verbunden. Dem Wunsch nach Berührung steht ein massives Eingreifen der Halbkugeln, Glockenformen und Scheiben in die Architektur zur Seite. Mit seinen wandelbaren Installationen war Kapoor nach der Documenta IX in Kassel 1990 britischer Beiträger auf der Biennale in Venedig, gewann den Hauptpreis, und ein Jahr später auch den begehrten Turner-Preis. Doch seine frühesten Arbeiten aus Stein, Glas, Blattgold und Stoff hatten eigentlich die stärkere Poesie – vielleicht ein Zeichen, dass auch der global vernetzte Kunstmarkt seine Auswirkungen auf Künstler hat: In diesem Fall kommt der Faktor Macht und Kraft symbolisch mit einem kriegerischen Akt zum Ausdruck.

Aufzählung Ausstellung

Anish Kapoor: Shooting into the Corner

Bettina M. Busse (Kuratorin) MAK Ausstellungshalle Zu sehen bis 19. April

Printausgabe vom Mittwoch, 21. Jänner 2009

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