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Mit Anmut und intellektueller Tiefe

27.02.2007 | 18:22 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Documenta 12. In der Secession stellte Leiter Roger M. Buergel jetzt das erste "documenta Magazin" vor.

Dass sie nicht ganz so einfach wird, wie Roger M. Buergel uns die „documenta 12“ versprochen hat, das ahnte bereits, wer seine verschrobene, praktisch leere Wechselausstellung „Die Regierung“ in der Secession 2005 gesehen hat (was recht wenige von sich behaupten können). Spätestens als der Berliner Wahlwiener dann kurz darauf, zu Beginn seiner steilen Karriere drei verdächtig knackige Leitfragen ins Volk warf, nach denen er seine „100 Tage Museum“ in Kassel erarbeiten wolle, verhärtete sich die Ahnung zur „generellen Skepsis“, wie Buergel selbst sie fordert: Denn Fragen nach der Moderne, dem bloßen Leben, der Bildung sind heute in der Kunst keine Einsteigerthemen, die ohne Vorwissen „ersehen“ werden können.

Und prompt, vergangenen Montag, wurden auch schon erste theoretische Texte zur „documenta 12“ präsentiert: Ein vom Taschen-Verlag und documenta-Logo-Designerin Martha Stutteregger nicht einmal sehr aufwendig als Magazin getarnter nüchterner Reader, wie man ihn aus dem universitären Betrieb kennt. Schließlich will Redaktionsleiter Georg Schöllhammer, Herausgeber des Wiener Kunsttheorie-Magazins „springerin“, auch als „Akademien“ verstanden wissen, was er in Buergels Auftrag seit eineinhalb Jahren aufbaut: ein weltweites Netzwerk 95 kleiner, feiner, teils ums Überleben ringender Kunstzeitschriften (aus Österreich: „Camera Austria“ „Eurozine“, „malmoe“ und „springerin“).

300 Artikel hat dieser „translokale“ Thinktank zur ersten Buergel-Frage „Modernity?“ bereits veröffentlicht. In den Focus der internationalen Aufmerksamkeit, ins erste „documenta Magazin“ wird in deutsch/englisch aber nur ein „best of“ gerückt: 13 Aufsätze sowie Porträts von sieben, netterweise vorwiegend weiblichen Künstlern. Eine schöne Geste, die umso schöner wäre, hätte Buergels Co-Kuratorin Ruth Noack bei der Präsentation ebenfalls am Podium Platz nehmen dürfen. Und ihren sichtlich müden Partner nicht per Saal-Mikro ergänzen müssen.


Magazin greift Ausstellung nicht vor

Dreieinhalb Monate vor Eröffnung der „documenta“, die man angeblich auch verstehen soll, „ohne Kunst studiert zu haben“, werden wir also trotzdem zu studieren beginnen. Auf den ersten 224 Seiten etwa die Moderne und ihre Rezeption in Afrika. Oder polnische Künstler, die in den 70er-Jahren versuchten, den sozialistischen Realismus wiederzubeleben. Oder den Sonderweg des schwedischen Modernismus seit 1931.

Freche Neugierige, die hofften, aus diesen Texten Rückschlüsse auf die Ausstellung selbst, etwa die Künstlerliste filtern zu können, wurden von Buergel selbst enttäuscht: Die Magazine seien nur „in Korrespondenz“ mit der Schau zu verstehen. Er werde sich seine dort bereiteten „ästhetischen Erfahrungen“ auf keinen Fall „zutexten“ lassen.

Worauf Schöllhammer in der bisher bekannten, ersten Auswahl auch peinlich geachtet hat. Er sieht das Magazin mehr als „ästhetische Propädeutik der Ausstellung“, also eine Einführung in die wissenschaftliche Lesbarkeit der „documenta“. Was ihm laut Buergel sogar mit „intellektueller Tiefe und Anmut“ gelungen ist. Allein um dieses Kompliment von frappanter Galanterie zu würdigen, sollten zwölf Euro in die Nachlese einer vergangenen Moderne investiert werden. Und außerdem, um dem, was Mitte Juni auf uns zukommt, auch die gebührende „generelle Skepsis“ erweisen zu können.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2007)

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