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25. April 2001
 

Mut zum Risiko

Die Berlin-Biennale für zeitgenössische Kunst

Hohe künstlerische Qualität und die Möglichkeit, 50 Positionen aus 30 Ländern zu entdecken, das ist das Angebot der zweiten Berlin-Biennale, die am vergangenen Wochenende ihre Tore geöffnet hat. Mit Saskia Bos, der Leiterin der De Appel Foundation in Amsterdam, konnte eine international angesehene Kuratorin für ein Projekt gewonnen werden, das mit hohen Erwartungen befrachtet ist.

Ein als gesichtsloser Teufel kostümierter Mann tanzt zu tiefen Bässen. Er schwingt die Arme, krümmt sich im Rhythmus, holt aus, streckt seine Glieder, stampft und zuckt mit dem ganzen Körper. Mit bald ausgelassener, bald verhaltener Energie bewegt er sich über dem Pentagramm, das den Boden des kargen Raumes ziert. In der Installation des Mexikaners Carlos Amorales ist das Böse zum schillernden Disco-Emblem mutiert. Stimulation statt Inferno heisst die Devise, die darauf angelegt ist, das Publikum zum Tanzen zu animieren. Tatsächlich bleibt es fraglich, ob die vielen Menschen, welche die Berlin-Biennale in den kommenden zwei Monaten besuchen werden, ihre Befangenheit überwinden und dem Angebot tatsächlich Folge leisten werden. Gleichwohl besticht die kuratorische Idee, eine vornehmlich von filmischen Installationen bestimmte Ausstellungsdramaturgie mit konkreten Handlungsangeboten zu durchsetzen.

Beteiligung, Anteilnahme, Verbundenheit

Die Holländerin Saskia Bos, welche mit der künstlerischen Leitung der zweiten Berlin-Biennale betraut wurde, ist denn auch eine erfahrene Kuratorin, die sich einer schwierigen Aufgabe mit ebenso viel Neugierde wie Engagement genähert hat. Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie der Versuchung, einfach nur den aktuellen Markt zu spiegeln, widerstanden hat. Statt sich mit einer einfachen Lösung zufriedenzugeben, hat sie eine persönliche Perspektive entwickelt und Kunstwerke zu einer weltoffenen Schau zusammengetragen, die Differenzen zulässt und theoretische Überfrachtung vermeidet. Leitplanken ihres Konzeptes sind die Begriffe «Beteiligung», «Anteilnahme» und «Verbundenheit». Eine Kontur, in der so unterschiedliche Positionen Platz finden wie die dekorativen Pillenmuster der Bilder eines Fred Thomaselli oder die Massage-Lounge des Thailänders Surasi Kusulwong. Das überzeugendeGros der Schau bilden jedoch Film- und Videoarbeiten, die ein Interesse an der Welt, ihren Fragen und Problemen entwickeln.

Die erste Berlin-Biennale stand ganz unter dem Motto, die Stadt als neues kulturelles Zentrum zu etablieren. Was damals unter der Ägide von Klaus Biesenbach, Initiator des Projektes und seines Zeichens Leiter der Kunst-Werke Berlin, sowie den auswärtigen Kuratoren Hans UlrichObrist und Nancy Spector präsentiert wurde, vermochte jedoch trotz Lautstärke und Selbstbewusstsein wenig zu überzeugen. Die Kritik fiel negativ aus, und man war sich darüber im Klaren, dass der Bezug auf eine unbestritten faszinierende Stadt nicht ausreichen kann, um sich innerhalb der stetig wachsenden Zahl von Biennalen und ähnlichen Grossausstellungen durchzusetzen. Sei es nun die Biennale von Venedig, die Manifesta oder die Documenta, dem Anspruch, den Zeitgeist auf den Punkt zu bringen oder zumindest Repräsentatives zu formulieren, können sich die Verantwortlichen kaum entziehen.

Die Qualität der zweiten Biennale liegt denn auch weniger in einer thematischen Stringenz als vielmehr in einer sorgfältigen Auswahl, die den einzelnen Künstlern viel Raum lässt. So ist das Alte Postfuhramt, das über eine Vielzahl von kleineren Räumen verfügt, der gelungenste Part der Ausstellung, die in den nahen «Kunst-Werken», unter den S-Bahn-Bögen der Janowitzbrücke und im Allianz-Hochhaus eingerichtet wurde.

Gleich über sechs Räume erstreckt sich die Videoinstallation des in Istanbul geborenen, mittlerweile aber in London lebenden Kutlug Ataman, der einen türkischen Transvestiten porträtiert. In alten Sesseln sich fläzend, kann man sich Teile des umfangreichen Bildmaterials zu Gemüte führen, sich nicht anders als im wirklichen Leben schrittweise an eine exzentrische Person herantasten, ihren Erzählungen zuhören, sie beim Telefonieren belauschen, mit einem ihrer Liebhaber beobachten oder ins Spital begleiten. Die kluge Inszenierung mit parallel laufenden Sequenzen und intimer Wohnzimmeratmosphäre macht deutlich, welche Möglichkeiten sich mit der künstlerischen Umsetzung von dokumentarischem Filmmaterial eröffnen. Ganz auf den Raum und damit auf das Publikum bezogen ist auch die Arbeit des Litauers Arturas Raila. Auf einem Videoscreen sind fünf Männer zu sehen. Sie sitzen unter einem faschistischen Emblem, kommentieren Strassenszenen, die auf die gegenüberliegende Wand projiziert werden. Ihre Aussagen sind widersprüchlich, bisweilen wie erwartet rassistisch und menschenverachtend, bisweilen aber auf irritierende Weise differenziert: eine mehrschichtige Subversion, die mit der Fragwürdigkeit des eigenen Wertesystems konfrontiert.

Leichtfüssige Gesellschaftskritik

Die Positionen sind heterogen und vielfältig, lassen sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Will man das Statement der Kuratorin verstehen, dann gelingt dies am ehesten über die Beobachtung, dass ironisierende Positionen - sieht man einmal von Christian Jankowskis amüsanter Kunstmarktpersiflage «Rosa» ab - ebenso fehlen wie glamouröse Selbstinszenierungen. Selbst die plakative Spielzeugästhetik der «Baby Trucks», welche die Amerikanerin Patricia Piccinini in der Eingangshalle des Postfuhramtes eingerichtet hat, wird in der von Sorgfalt und Konzentration geprägten Atmosphäre als eine zwar humorvolle, aber durchaus ernsthafte Reflexion über die Konditionierungen einer von Konsum geprägten Wirklichkeit empfunden. Macht- und Gesellschaftskritisches kommt einmal mit grosser Deutlichkeit, ein andermal als spielerisch verbrämter Subtext daher. Eine poetische Gestimmtheit entwickelt sich zum Beispiel in dem zumMiniaturkino umfunktionierten Raum des Portugiesen Joao Peralves: Eine nebelverhangene Landschaft illustriert seine zu einem fernöstlichen Märchen stilisierte Lebensgeschichte. Im Stakkato der japanischen Sprechstimme werden die Unterschiede zwischen Traum und Wirklichkeit ebenso nivelliert, wie sich die kulturellen Differenzen zwischen West und Ost verunklären.

Während die am einzelnen Werk oder an grosszügigen Werkgruppen orientierte Konzeption im Alten Postfuhramt auf ideale Bedingungen trifft, verliert sich die Dichte der Ausstellung in den grossen offenen Räumen der «Kunst Werke» in einem unmotivierten Nebeneinander. Dies ist bedauerlich, die Sympathien für die Kuratorin bleiben jedoch bestehen. Die eigentliche und nicht zu unterschätzende Leistung der Ausstellung liegt darin, dass eine ganze Reihe von neuen, hochinteressanten Positionen zu entdecken ist. Fragen statt Antworten, Kommunikation und Diskurs sind denn die wesentlichsten Punkte eines Konzeptes, das dezidiert für den Einbezug des Publikums und damit statt für Endgültiges für Offenheit und geistige Beweglichkeit plädiert. Diezweite Berlin-Biennale ist ein eigenwilliger Versuch, mit den Anforderungen, die ein solches Projekt mit sich bringt, fertig zu werden.

Claudia Spinelli

Bis 20. Juni. Der zweibändige Katalog kostet DM 50.-.

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