Galerie Georg Kargl: Arbeiten von Ketty La Rocca
Entlang der Papillarspuren
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Ketty La Rocca (1938 bis 1976) ist neben Gina Pane die
bekannteste italienische Künstlerin, die sich mit Performance und Sprache
am Rande des internationalen Aktionismus (Japan, USA, Europa) auseinander
setzte. Dabei waren auch für sie - ähnlich der Wiener Gruppe - visuelle
Poesie und Foto neben Installation und Video von Bedeutung. Die
Galerie Georg Kargl zeigt bis 11. Mai in einer musealen Retrospektive drei
Werkblöcke aus den frühen 70er Jahren: "Le mie parole e tu", "you you" und
"Reduzione (La Galleria)". In letzterer Gruppe wird jeweils in vertikaler
Dreiersequenz ein Foto menschlicher Dialoge in einem Galerieraum von einer
Zeichnung mit den Umrissen der Personen und ihrer Umgebung gefolgt. Dazu
gibt es ein grafisches Diagramm der Linien, das die literarische
Interpretation einbringt. Obwohl diese biomorphe Formen bildenden
Buchstabenschläuche auch aus antiken und mittelalterlichen Handschriften
bereits bekannt sind, ist ihre manieristische Magie erst im 20.
Jahrhundert wiederentdeckt worden und hat sich aus Surrealismus und Dada
heraus entwickelt. Die weiteren Bild-Text-Experimente von La Rocca
könnte man auch historisch beleuchten - allerdings aus buddhistischen und
islamischen Traditionen, wo das Beschriften und Bemalen der Haut
kultischen wie ästhetischen Charakter transportiert. "Le mie parole e tu"
(1974) vereint auf Schwarz-weiß-Fotos eine männliche Hand, die sich auf
eine weibliche legt und mit ihr verschränkt. Diese Fotos (nicht die
Haut selbst) werden bezeichnet und beschriftet - neben dem immer wieder
auftauchenden "you", nachgezogenen Nägelrändern und Beugefalten tauchen
Worte zu Zeit und Generationen auf bzw. Wunschparolen, die insgesamt
nachdenklich stimmen, obwohl kein erzählerischer Inhalt zu finden ist;
ähnlich der Performance, in der die Künstlerin einen grammatikalisch
einwandfreien Text liest, der keinen Sinn (im Erzählerischen) ergibt.
Ketty La Roccas subtile Werke erinnern nachdrücklich an die Jahrzehnte
des Dialogs auch im Politischen, die leider von aggressiver Agitation
gefolgt wurden.
Erschienen am: 25.04.2002 |
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