Volkshalle/Rathaus: "Grenzenlos. Kurdische Kunst heute"
Heimweh im Reisekoffer
Von Claudia Aigner
Heimat ist das, wo man keinen Fremdenführer braucht. "Meine
Bildfläche ist mein Zuhause. Anderes hab ich leider nicht." Also sprach
Malva, ein kurdischer Maler mit Wohnsitz in Wien. Eine kurdische
Staatsbürgerschaft hat er klarerweise nie besessen - in Ermangelung eines
existierenden kurdischen Staates. Von ihm ist nun die Initiative zu einer
Ausstellung in der Volkshalle im Wiener Rathaus ausgegangen, die noch bis
1. April erstmals in Wien zeitgenössische kurdische Kunst in größerem
Ausmaß zeigt. (Eine Schau des Historischen Museums in Zusammenarbeit mit
dem Verein zur Erforschung und Förderung der kurdischen Sprache, Kultur
und Geschichte.) Hintergründiger Titel: "Grenzenlos." Die Kurden
(deren Siedlungsgebiet sich die Türkei, der Iran, Irak, Syrien und
Armenien untereinander "aufteilen") haben keine eigene Staatsgrenze,
deshalb müssen sie eben die der andern überschreiten, wenn sie
"herauswollen". Die ausstellenden Künstler sind so gesehen über die
Grenzen der Niederländer, Italiener, Franzosen, Österreicher, Deutschen,
Spanier, Schweden und Engländer gegangen, um sich in ihrem Exil
niederzulassen. Mein erster Gedanke beim Blick auf die "erschreckend
europäischen" Bilder: "Hat es der Westen also wieder einmal geschafft -
mit seinem globalisierten Kunstgeschmack." Da hat mich Malvas Satz "Die
kurdische Seele ist noch immer da, die kann man nicht wegnehmen" auch
nicht wirklich darüber hinwegtrösten können, dass man mich irgendwie um
das "lupenrein Kurdische" (wie auch immer das aussehen mag) betrogen hat.
Und habe dann krampfhaft nach den "Restln" zu suchen begonnen: Bei Himat
M. Ali, der Ornament und Monochromie ineinander aufgehen lässt, klingen
kurdische Teppichmuster an, die harmonischen Bronze-Köpfe von Fuad, die
ein archaisch zeitloses Gesicht machen und eine Flöte an den Lippen oder
ihre verspielten Finger auf dem Hals eines Saiteninstruments haben,
erinnern möglicherweise an Assyrisches. Und in Malvas reizvollem
"Fleckerlteppich" mit dem Titel "Sarya" (einem aus lauter kleineren
Bildflächen zusammengesetzten, leidenschaftlich hitzigen Ölbild voll
brennender Orangetöne) tauchen realistisch gemalte kurdische Massakeropfer
auf - oder ein türkischer Soldat, der mit zwei abgeschlagenen Köpfen
grinsend für ein makabres "Erinnerungsfoto" posiert. Heimat - ein
Reisefieber. (Ein italienischer Pass beantwortet noch nicht die Frage, ob
man daheim ist oder wer man ist.) Azad Nanakeli hat seinen eigenen Kopf
("Wenn ich meine Haare ändere, bin ich das, glaub ich") reisefertig zuerst
in Aspik und dann in einem Reisekoffer verstaut. Gleich zwölfmal. Rein
künstlerisch, versteht sich. Die zwölf Papierabzüge von Computer-Bildern,
die in mühevoller "virtueller Handarbeit" entstanden sind, sind von
unglaublicher Präsenz. Nanakeli kostet bei seinem Extremrealismus jeden
Schatten, jede Spiegelung und jeden Lichtreflex aus, und man glaubt sogar,
das Gelee im Koffer schwabbeln zu sehen. Titel: "In einer Box, aber immer
auf Reisen." Wer in der Fremde lebt, schickt halt den Körperteil, in dem
die Gedanken und Träume gemacht werden, heim. Kurdisch hin, europäisch
her - das hohe künstlerische Niveau ist unübersehbar. Nicht unerwähnt
bleiben sollen Baldin Ahmad, wo sozusagen die Schönheit und die Sandburgen
noch heil sind, und ganz besonders Bahram Hajou mit seinen einprägsam
kreatürlichen Gestalten auf Leinwand, etwa einem Selbstporträt, wo er
ungesellig an einer "biologischen Funktion" hantiert. Fazit: Kurdische
Künstler machen auch nur Kunst.
Erschienen am: 15.03.2002 |
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Abschiedstour gastiert in der Stadthalle
Eröffnung der Gartenanlage mit einem Open- House- Event
Volkshalle/Rathau s: "Grenzenlos. Kurdische Kunst heute"
Quer durch Galerien
Unteres Belvedere: Hans Fronius (1903 bis 1988)
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Palais Porcia: Projekt "Global fusion" (bis 26. April)
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