Im Walde von Blainville | |
Neueste Zeichnungen und Bilder von einem der teuersten deutschen
Maler der Gegenwart, Georg Baselitz, in der Sammlung Essl.
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Deutsch-Baselitz ist sein Geburtsort, das
Licht der Welt erblickt hat er 1938 als Hans Georg Kern: Der in der
damaligen DDR geborene Künstler Georg Baselitz begann bereits sehr früh zu
malen, seinen Wissensdurst musste er in der örtlichen Leihbibliothek
stillen. Mit einigen Freunden verband ihn später eine bedingungslose,
epigonale Verehrung für Pablo Picasso, die er auch an der Kunstakadmie
Berlin-Weißensee beibehielt. Sie sollte Ralf Winkler (der später
emigrierte und sich A.R. Penck nannte) die Aufnahme und Georg Kern nach
zwei Semestern wegen "sozialpolitischer Unreife" den Studienplatz kosten.
Da er ein Stipendium gehabt hatte, sollte er zur Bewährung in einem
Kohlekombinat arbeiten. Vertreibung Unfreiwillig geht der Maler deshalb zunächst nach Ostberlin und von
dort nach Westberlin, wo er sein Studium an der Akademie
Berlin-Charlottenburg fortsetzt und beendet. Nach Phasen abstrakter
Malerei kehrt der Künstler zum Gegenstand zurück und nennt sich ab 1961
Georg Baselitz. In dieser Zeit lernt er auch Michael Werner, damals waren
beide Anfang 20, kennen. Dieser richtet für ihn 1963
seine erste Einzelausstellung in der Galerie Werner & Katz in Berlin
aus. Ein Kunstskandal
Diese Ausstellung gerät im immer noch stark in den Moralvorstellungen
der Nachkriegszeit verhafteten Deutschland zum Eklat. Die
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt die Bilder "Der nackte Mann" und "Die
große Nacht im Eimer" wegen Vertreibung unzüchtiger Bilder. Künstler und
Galerist werden, nachdem ihnen die öffentliche Anklage Profitgier
vorgeworfen hatte, zu Geldstrafen verurteilt, die Bilder erhält der
Künstler zwei Jahre später zurück.
"Existenzialismus" Bis Mitte der 60er Jahre arbeitet Georg Baselitz an der "Helden"-Serie,
deren bekanntestes Bild "Die großen Freunde" ist. Danach entstehen die
"Fraktur-Bilder" und ab 1969 sind die Inhalte symbolisch aufgehoben, die
Bilder "gekippt". Er nimmt an der Documenta 5 teil und experimentiert in
der Folge mit gegenständlicher Fingermalerei, ständig seinen expressiven
Gestus steigernd.
Die Einladung zur Documenta 6 im Jahr 1977 schlägt der Maler wegen der
Teilnahme offizieller DDR-Künstler aus. Anfang der 80er Jahre wird
Baselitz in der Aufbruchstimmung im Zuge des selbstbewussten Auftretens
der "Neuen Wilden" mit seinem Werk zu einem Stück deutscher
Populärkultur. Malerei mit Wahrheitsanspruch Unentwegt gegen ikonografische Sehgewohnheiten und gegenständliche
Behauptungen kämpfend, umreißt Baselitz eine Ästhetik des Hässlichen und
Groben, schwelgt in roher Unordnung, bricht mit allen materialkundlichen
und gegenständlichen Vorgaben. Seine meterhohen Leinwände tragen Spuren,
Narben dieser äußeren wie jener inneren Kämpfe, die der Künstler
durchmacht, wenn jeder kleinste Strich dazu dient, eben diesen Ausdruck
fernab der Schrift zu verschaffen. Kampf an allen Fronten In grellen Bonbonfarben wiederholen sich quasi in Endlosschleifen
dieselben Motive, brachiale, breite Pinselstriche reißen tiefere
Farbschichten wieder auf oder sparen diese aus, verschmieren, schlagen sie
zu Brei. Malerei gibt es für ihn nur im Kampf, Baselitz scheint darauf
angewiesen, süchtig danach zu sein, immerfort zu kämpfen und in atemloser
Schaffenswut ein wirklich beeindruckend großes Oeuvre herzustellen. Verästelungen In starker Anlehnung an afrikanische Plastik entstehen seit der
Biennale von Venedig 1980 auch Skulpturen, die der Künstler oft innerhalb
eines Tages mit der Motorsäge aus Stämmen einzelner, frisch gefällter
Bäume herausschneidet und mit Hacke und Meißel verfeinert. Daneben schafft
er noch Zeichnungen sowie zahllose druckgrafische Werke in allen
Techniken. In vielen Werkgruppen haben sich durch die unendlichen Wiederholungen
identischer formaler Strategien leider fast zwangsläufig sinnentleerte
Redundanz und zugleich Bedeutungsverlust eingestellt. Stilistischer
Ausdruck ist, ähnlich wie in Picassos Spätwerk, zum Selbstzweck geworden,
bei dem dann Manier und Wiedererkennungswert im Vordergrund stehen. Zwischen Aktualität und Anachronismus Baselitz' viel diskutierte Position des einzelnen, einzigen, männlichen
Malers, der in künstlerischer Sensibilität in der Abgeschiedenheit seiner
Ateliers in einem einzigartigem Schaffensrausch des individuellen
Ausdrucks wütet, muss als romantisch und überholt bezeichnet werden. Doch um diese Problematik, die er negiert, ebensowenig wie um die
gesellschaftlichen Aspekte der Kunst an und für sich, hat sich Georg
Baselitz nach eigener Aussage noch nie gekümmert. Das Einzige, was er
demnach jemals wollte, war und ist, mit einer unglaublichen
Ernsthaftigkeit Bilder zu malen, wie er will. Folklore Die Sammlung Essl zeigt in der Ausstellung "Im Walde von Blainville"
neueste Zeichnungen und Bilder des Künstlers, der heute einer der
teuersten überhaupt ist. Die Sujet-Porträts, Halbfiguren, Akte, Tiere,
Landschaften sind vertraut, doch Stil und Technik haben sich verändert.
Die großformatigen Leinwände werden auf dem Boden liegend bemalt, während
der Künstler auf ihnen steht. Transparentere Farbschichten in zarten Tönen
und eine mehr "markierende", leichte Malweise schaffen neuerdings in
Verbindung mit Versatzstücken aus der Volkskunst im Unterschied zu den
älteren Bildern eher gelöste Stimmungen. Link: "Im Walde von Blainville" Malerei 1996 - 2000, zu sehen
von 11. Oktober bis 28. Jänner 2001 in der Sammlung Essl, An der Donau-Au
1 in Klosterneuburg-Weidling. Die Eröffnung findet am 10. Oktober um 19.30
Uhr statt. Tipp: Am 9.10. ist Georg Baselitz bei Barbara Rett im Treffpunkt Kultur zu Gast. | ||||||||
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