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Kunstberichte

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Man röhre und staune

Aufzählung (cai) Schuhplatteln ist ja auch irgendwie komisch. Oder Schifahren (das bei uns praktisch zur Folklore gehört). Wenn ein Yanomami-Indianer zum ersten Mal Zeuge dieser exzentrischen Gebräuche wird, fragt er sich bestimmt ebenfalls, ob diese Leute nicht verhaltensgestört sind. Vor den opulenten Fotoarbeiten von Claudia Rogge geht es einem nun genau wie diesem Yanomami-Indianer vor einem Schuhplattler.

Was hat es bloß zu bedeuten, wenn Menschen in Abendgarderobe voller Schaum sind, als nähmen sie grad ein Orgien-Mysterien-Bad? Na ja, dass sie sich auf dem Ball der Badezusatz-Hersteller befinden. Aha. Und das Altpapier-Happening, wo Nackerte massenhysterisch in einem Haufen Zeitungspapier herumtollen, ist dann wohl ein magisches Ritual. Richtig. Das ist entfernt verwandt mit dem Regentanz. Dadurch sollen die Abonnenten mehr werden. Keine Zeitung würde das zwar offen zugeben, doch alle machen das einmal im Jahr. Keine Angst, das war ein Witz. Rogge liebt einfach die theatralische Inszenierung von Menschenmassen, wobei sie jedes Individuum zuerst einzeln fotografiert. Die hochästhetischen, rhythmischen Choreografien entstehen nachher am Computer.

Eine Schwalbe macht vielleicht noch keinen Sommer, doch eine einzelne Frau sehr wohl ein Getümmel. Wenn Rogge sie klont und aus ihr eine Herde von Gleichgeschalteten macht. Womöglich ist Rogge gar eine Märtyrerin im Kampf der Geschlechter. Denn unlängst ist eines ihrer Werke durch einen röhrenden Hirsch ersetzt worden. Im Bildungsministerium in Bonn. Ach nein, mit dem Hirschen, dieser Ikone des männlichen Imponiergehabes, hat man nur vor der Gleichbehandlungsbeauftragten kapituliert, die Rogges Bild abhängen hatte lassen, weil sich Ministeriumsmitarbeiterinnen über das ornamental arrangierte Frauenfleisch beschwert hatten. Tja, Masse ist Macht, Vermasseln macht auch nix. (Was auch immer das jetzt heißt.)

Galerie Mauroner
(Weihburggasse 26)
Claudia Rogge
Bis 6. März
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 11 – 16 Uhr

Die Hose fällt wie Ikarus

Aufzählung (cai)Drago Persic macht Fallversuche. (Aha, wie der Galilei.) Nur halt mit Kleidungsstücken. Überlässt zum Beispiel eine Hose und ein Hemd der Schwerkraft. Nein, er macht keinen Striptease. Er fotografiert Gewänder, die sich im freien Fall befinden, und wenn er die Fotos dann abmalt, verschweigt er kein noch so unscheinbares Detail, keine Naht, kein Knittern. Der legt es eindeutig darauf an, uns zu beeindrucken. Was ihm auch gelingt. Wie diese trivialen Textilien da vor einer undurchdringlichen, mysteriösen Schwärze schweben, ist dramatisch (mit dem Präfix melo-). Persic versteht es wirklich, das Gewöhnliche spektakulär aussehen zu lassen. Sollen das indirekte Aktgemälde sein? Eher nicht. Die Besitzer der Kleider hätten jedenfalls eh noch mindestens ihre Unterwäsche und die Socken an.

Engholm Galerie
(Schleifmühlgasse 3)
Drago Persic
Bis 5. März
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr
Sa.: 11 – 15 Uhr

Das Lachen des Yeti

Aufzählung (cai)Vielleicht gibt’s ihn wirklich, den weißen Humor, der weiß ist wie der Schnee im Himalaya. (Und über diese Witze kann nur der Yeti lachen, den viele selber für einen Witz halten.) Die Bilder von Kristinn Már Pálmason zeugen zumindest von exotischem Humor. Weil der provokant primitive Piktogramm-Stil hoffentlich nicht sein Ernst ist. "Macbeth": eine platte, plakative Krone. (Wenn’s wenigstens ein blutiger Dolch wär’!) Ach so, das ist das Rolex-Logo! Okay, das ist eventuell Isländerhumor. Kühl und trostlos. Ohne Zweifel gschmackig ist dagegen das malerischste Opus. Schaut aus wie ein Boden, über den der Fuß der Zeit getrampelt ist. Und Antonio Marchetti Lameras Bilder bestechen sowieso durch effektvolles Understatement. Dezente Schatten huschen über ein gar nicht fades Grau.

Artmark Galerie
(Singerstraße 17)
Dark Lucidity
Bis 20. Februar
Do, Fr.: 13 - 18 Uhr
Sa.: 11 - 15 Uhr

Printausgabe vom Mittwoch, 10. Februar 2010
Online seit: Dienstag, 09. Februar 2010 18:01:00

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