MAK Galerie: "Poverty Housing" von Rebecca Baron und Dorit Margreiter
Über den langsamen Schritt des Mitleidens
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Südafrikanische Slums, nachgebildet in den USA: Ein Film hinterfragt das Designprojekt. Foto: R. Baron, D. Margreiter
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Rebecca Baron ist eine vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmerin aus
Los Angeles. Gemeinsam mit Dorit Margreiter, die an der Wiener Akademie
der Bildenden Künste lehrt, hat sie einen 35 mm-Film von etwa 13
Minuten über einen Slum-Themenpark gedreht, der zurzeit im Museum für
angewandte Kunst (MAK) zu sehen ist.
Im "Global Village
Discovery Center" in Americus, Bundesstaat Georgia, wurde ein
südafrikanisches Elendsviertel maßstabsgetreu nachgebaut. Der
gemeinnützige Verein, der damit die Armut veranschaulicht, kassiert von
den Besuchern Gelder für soziale Projekte. Soweit der fragwürdige
Hintergrund.
Voyeuristischer Blick auf Pseudo-Slums
Natürlich handelt es sich bei diesem Pseudo-Slum um ein durch und
durch künstliches Designprojekt, das ohne Schauspieler auskommt, aber
Gegenstände und Materialien collagiert, die so tun als ob sie vom
Mistplatz genommen wären. Eine Bühne der Armut, die Realität
nachkonstruiert und Mitleid erregen soll – und zwar so intensiv, dass
nach Verlassen in die Tasche gegriffen und Geld gespendet wird. Die
beiden Künstlerinnen hinterfragen das Projekt, freilich nicht nur
inhaltlich: Sie gehen auch der Frage nach, was ein Film über so ein
Projekt überhaupt aufzeigen kann.
Schon allein die Installation in der Galerie des MAK, die den ersten
Blick auf die Rückspulmaschine und den Projektor freigibt, bevor wir in
die Blackbox eintreten, um den Film zu sehen, macht klar, dass die
künstlerische Selbstreflexion maßgeblich mitwirkt. Die Erzählstränge
der zum Teil quälend langsam gefilmten Wellblech- und Holzbretterbuden
sind komplex. Der voyeuristische Blick auf Betten, Borde mit vergilbten
Konserven, auf Badewannen im Freien, kunstvoll abgelegte Fahrräder und
schräg stehende Mülltonnen, gibt das Gefühl in einem Filmset zu sein.
Doch die Kopie der Realität wird sichtbar, durch Sound und
Blickwechsel wird die manipulative Kraft der Bilder deutlich. Das
Täuschungsmanöver wird auch durch die Langatmigkeit unterstrichen: Das
erinnert an die Manipulation der Gläubigen auf Prozessionswegen des 13.
Jahrhunderts, bei denen nachgestellte Szenen der Passion Christi
"lebensechte" Skulpturen mit Wunden und Haaren hervorbrachten. Bei uns
genügt Wellblech, um Slums zu assoziieren.
Eine eindrucksvolle Reflexion nicht nur aktueller sozialer Fragen,
sondern auch unseres zweifelhaften Umgangs mit dem Medium
Dokumentarfilm. Aufgepasst: Jeder zweite könnte Lüge sein.
Ausstellung
Poverty Housing.
Americus, Georgia Von Rebecca Baron und Dorit Margreiter Andreas Krištof (Kurator) MAK Galerie Bis 8. März 09
Dienstag, 07. Oktober 2008
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