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Kunstberichte

Das Belvedere leuchtet den Phantastischen Realismus neu aus und konfrontiert ihn mit der Kunstgeschichte

Die Rückkehr der Phantasmagoriker

Als die Fantasie tanzen lernte: Rudolf Hausners

Als die Fantasie tanzen lernte: Rudolf Hausners "Aporisches Ballett" aus dem Jahr 1946. Foto: Privatbesitz Anne Hausner

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Vor fast 40 Jahren feierten sie ihren ersten großen Erfolg im Belvedere, nun ist den "Phantastischen Realisten" wie Arik Brauer, Ernst Fuchs und Wolfgang Hutter sowie ihrem breiten Umfeld mit Friedensreich Hundertwasser wieder eine Schau gewidmet.

Lange Zeit waren sie in Wien als Kitsch verschrien, obwohl dieses Kriterium seit der Pop-Art gar nicht mehr existiert. Besser sah es mit dem internationalen Erfolg seit der Ausstellung in Hannover 1965 aus. Dies und die Anbindung an eine magische, andere Moderne, die nun die junge Künstlergeneration wieder beflügelt, haben die Kuratoren Matthias Boeckl und Franz Smola innovativ und sensibel berücksichtigt.

Sie starten mit theoretischen Verknüpfungen: Da wird Ernst Fuchs mit den klassischen Manieristen, der Rubens-Schule und Hieronymus Bosch konfrontiert, Anton Lehmden mit dem frühen Kubisten Lorenz Stör – dies auch als kleine Hommage Boeckls an Werner Hofmanns "Zauber der Medusa" 1987 im Künstlerhaus, eine Festwochen-Ausstellung, in der die Künstler integriert waren.

Moderner Aufbruch

Das Besondere am neuen Konzept ist eine nicht chronologische oder monografische Hängung: Smola hat wichtige Themen wie Landschaft, Sakrales, Theater oder Selbstdarstellung gewählt – außerdem hat man richtigerweise auf das Spätwerk verzichtet. Denn in ihren Anfängen war die Gruppe neben den Abstrakten der Aufbruch in die Moderne nach 1945.

Damals etablierte sich in Wien der internationale Art-Club mit seinem surrealistischen Flügel, dem der Mentor und Lehrer Albert Paris Gütersloh, Edgar Jené, aber bereits auch Fuchs und Hutter angehörten. Letzterer holte Hundertwasser in den Kreis, Fuchs trat 1951 mit Arnulf Rainer und Maria Lassnig als Secession der skandalumwitterten "Hundsgruppe" wieder aus.

Mit der Belvedere-Schau 1959 kam der umstrittene Name "Wiener Schule des Phantastischen Realismus" durch Johann Muschik auf die Welt – er wird historisch im Katalog abgehandelt. Nicht zuletzt in Ermangelung einer "Schule" ist Güterslohs Bezeichnung "Phantasmagoriker" wohl treffender geblieben.

168 Werke, darunter Bilder von Max Ernst, Giorgio de Chirico oder Gustave Moreau als Leihgaben internationaler Museen, aber auch viel Unbekanntes aus Privatsammlungen und die Werke des Belvedere selbst bilden den gelungenen Versuch, nach Jahren negativer Kritik einen Neuanfang in der Sicht auf die neben den Aktionisten bekanntesten österreichischen Maler nach 1945 zu wagen. Für das Publikum wahrscheinlich leichter als für die Kunstgeschichte und -kritik, die sich am kommerziellen Spätwerk reiben.

Aufzählung Ausstellung

Phantastischer Realismus Unteres Belvedere Bis 14. September

Montag, 19. Mai 2008

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