Kultur

Im Banalen das Große sehen

10.07.2007 | SN
Der deutsche Fotokünstler Wolfgang Tillmans zeigt in der Grazer "Camera Austria" Arbeiten aus 17 Jahren. Körperlichkeiten sind ein Thema der Schau "Faltung".

MARTIN BEHR

GRAZ (SN). Mit seiner bunten Trainingsjacke und der coolen Umhängetasche sieht er eher aus wie ein Mitglied der Popband "Tocotronic" als ein Turner-Preisträger und Professor an der Frankfurter Städelschule. Der 39-jährige deutsche Fotograf Wolfgang Tillmans ist geübt, Konventionen zu brechen. Auch in seiner Kunst. Auf Einladung der "Camera Austria" zeigt der weltbekannte Fotokünstler im Kunsthaus Graz Arbeiten aus 17 Jahren.

Mit Porträtfotos, mit ungewöhnlichen Ansichten aus der Lifestyle-Welt, mit ausgeklügelten Als-ob-Schnappschüssen, sinnlichen Stillleben und Subkulturchroniken des Rave- und Techno-Zeitalters hat seine Karriere begonnen. Das Modemagazin ist ihm ebenso Heimat wie das Betriebssystem Kunst, das Tillmans nicht erst seit dem Aidstod seines Freunds Jochen Klein auch mit reduzierten, von Schockwirkung bereinigten Sujets beliefert.

Für die von Maren Lübbke-Tidow kuratierte Schau in der "Camera Austria" hat der in London lebende Tillmans den Titel "Faltung" gewählt. Die ausgewählten Werke belegen Tillmans Interesse an der Abstraktion ebenso wie an der Objekthaftigkeit der Fotografie, dem Begriff der Körperlichkeit. Besonders faszinierend: die im Vorjahr entstandenen "paper drop"-Arbeiten, die umgeschlagene, bunte Fotopapiere zeigen und auf schlichte Weise malerisches wie skulpturales Flair erzeugen - tropfenähnliche, farbige Formen in weißer Umgebung. Tränen? Vielfalt, eingeschrieben in Alltäglichem, grundsätzliche Fragestellungen, thematisiert über Banalitäten: Dieser Ansatz zieht sich durch das Werk von Tillmans.

Die in Graz gezeigten großformatigen Abstraktionen erinnern an Ölbilder des österreichischen Malers Erwin Bohatsch. Das mag Zufall sein, mit voller Absicht kontrastiert Tillmans - am anderen Ende des Raums - einen fotografierten Zeitungsausschnitt, der Facetten des Edelmetalls Gold beleuchtet, mit einem realen, mit Feingold überzogenen Gong. Dazwischen positioniert der Künstler aktuelle Balkonpflanzenfotos oder das Foto "suit": eine textile Raumskulptur, die von der Abwesenheit des menschlichen Körpers erzählt. "Das Entwickeln immer wieder neuer Spielarten der Präsentation, in denen älteres und neu entstehendes fotografisches Material zu Ensembles zusammengeführt wird, stellt ein Leitmotiv seiner Praxis dar", erklärt Lübbke-Tidow. Wichtig: Die Motive sind für Tillmans gleichwertig, er, der nicht das Private thematisieren, sondern emblematisch arbeiten will, pflegt einen unhierarchischen Umgang mit seinen Bildern.

Die weiße Chrysantheme vor schwarzem Hintergrund, ein launiges Statement über die Zukunft der britischen Herrenmode, eine Atelieransicht mit symbolistischer Interpretationsmöglichkeit: Tillmans vernetzt Bilder wie Bedeutungen, entwirft eigene (Bild-)Welten mit allgemein gültigen Botschaften. Und bleibt dabei dennoch offen: was für manche ein "greifbares" Fotoobjekt ist, stellt für andere ein Vanitas-Bild dar. (Bis 9. 9.)

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