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20.12.2005 - Kultur&Medien / Kultur News | ![]() |
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Weihnachten: Du kennst ja unsern Wunsch | ![]() |
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VON ALMUTH SPIEGLER UND THOMAS KRAMAR | ![]() |
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BASTELN FÜR WEIHNACHTEN. Gefällige Vorschläge für hausgemachtes Zitat-Kunsthandwerk unterm Christbaum. | ![]() |
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Weihnachtsgeschenke schenken? Ja, natürlich - aber . . .
Wenn sie zu teuer sind, sind sie zu teuer; wenn sie zu billig sind,
schaut's im Vergleich blöd aus, und überhaupt. Wer gerechterweise von der
Reichensteuer, wer ungerechterweise von der Deppensteuer getroffen wird
oder einfach so zu den, wie man es korrekt wohl sagt, pekuniär
Herausgeforderten zählt, scheut vermeidbare Ausgaben. Da hilft nur ein
Zurück zu einem der anstrengendsten Werte überhaupt: Kreativität.
Schließlich hören die Kinder auch alle Jahre wieder von allen Onkeln und
Tanten: "Also, am meisten freu' ich mich über was Selbstgebasteltes!" Und
wollen wir nicht sein wie die Kinder? Nein, Sie sollen jetzt nicht
Strohsterne flechten, Ochsen und Esel malen oder Choräle üben. Aber
beinahe. Die Kleinkunst ruft! Die SelbstgebrannteNatürlich, jeder kann sich heutzutage problemlos einige
Terabyte und bald Petabyte Musik um den Leib schnallen. Aber wer will das
schon? Für Musik gilt das Hegelsche Konzept vom Umschlag der Quantität in
Qualität reziprok: Zu viel Musik wird immer Muzak, und von dem hatten wir
ja gerade im Advent genug. Also zurück zur Auswahl, am besten händisch.
Nicht gerade eine C90-Kassette, so retro muss man nicht sein. Aber eine
selbst gebrannte CD geht schon noch, vor allem, wenn sie ein unter Einsatz
von Tixo oder Uhu händisch gestaltetes Cover umhüllt. Sie müssen sich nur
Themen einfallen lassen, die noch nicht völlig abgegrast sind. Also
z. B. nicht Songs mit Vögeln, sondern solche, in denen wirbellose
Tiere prominent vorkommen (naheliegend: "Octopus's Garden", "The Spider
And The Fly", "Boris The Spider", "Sex with Flies"). Oder nicht "Songs of
Love and Hate", auch nicht "Songs I Love to Hate", sondern Lieder, in
denen sich "love" unrein auf "enough" reimt. Oder alle Gitarrenriffs, die
von Keith Richards sein könnten. Dafür freilich braucht man aber wohl doch
den i-Pod. Der SpruchkalenderHaben Sie so etwas wie eine Handschrift? Sie werden sie
brauchen. Denn dieses Geschenk wird ihre Schreibmuskeln strapazieren.
Ansonsten ist es technisch anspruchslos. Aber es bedarf der Meditation -
über einem jungfräulich weißen Abrisskalender. Sie suchen für jeden Tag
einen Satz aus der Literatur (kann auch die eigene sein), der aller
Voraussicht nach sowohl zum Tag als auch zur beschenkten Person passt.
Beispiel: "The sun shone on the nothing new", der erste Satz aus Samuel
Becketts "Murphy" für den 11. September. Klingt gut. Aber wird
diesmal wirklich die Sonne scheinen? Und, wenn ja, wird sie für den (die)
Beschenkte(n) auf nichts Neues scheinen? Das Leben ist voller Risiko.
Unverbindlicher sind tendenziell eher die letzten Buch-Sätze: "Was wird
diese Zeit wohl bringen? Was wird uns in Zukunft erwarten? Und er dachte:
Kommt Zeit - kommt Rat." (Tschechow, "Drei Jahre") Wohl auch immer
irgendwie passend: "Das hört nie auf. Nie hört das auf." (Günter Grass,
"Im Krebsgang"). Jedenfalls kein James Joyce am 16. Juni. Außer wenn
Sie Kurt Palm heißen. Die Placebo-MaschineFür dieses Geschenk haben wir, ehrlich gesagt, noch keine
genaue Bastelanweisung, aber es ist sehr zeitgemäß. Denn mit zunehmender
Kenntnis der Physiologie, Genetik, Molekularbiologie und Mikrobiologie
erhöht sich auch die Liste der gesundheitlichen Gefahren. Will sagen:
Hypochondrie stand noch nie auf einer so sicheren Basis wie heute.
Konsequenz: Wir brauchen Placebos. Und wir brauchen eine Methode, diese
per Zufallsgenerator pharmazeutisch zu benennen und zu verschreiben, denn
die Ärzte haben oft angeblich Wichtigeres zu tun. Damit auch die
Homöopathen zufrieden sind, sollten die fertigen Tabletten kräftig
geschüttelt werden, bevor man sie in den aleatorischen Applikationsapparat
wirft. Und weil Medizin bitter sein muss (da sie sonst nichts nützt),
kommen die Pillen in vier Geschmacksrichtungen: Brom, Lebertran, Galle,
Myrrhe. Gute Besserung 2006. Das vegetarische SchüttbildHermann Nitsch mobilisierte rund um seine Aktion im
Burgtheater heuer die Leserbriefschreiber wieder zu verbalen Tiraden. Das
steht natürlich jedem frei. Aber bevor Sie womöglich auch unterm Baum noch
damit angeben, dass Sie das mit dem Fleischhauer Ihres Vertrauens längst
selber könnten (und überhaupt: was heißt hier können, diese moderne Kunst,
das ist ja keine Kunst, da muss man ja gar nichts mehr können) - probieren
Sie es doch einmal! Vielleicht zu Beginn nicht gleich mit
Hämoglobin-Punsch. Begnügen Sie sich als Orgien-Greenhorn mit der
vegetarischen Alternative - Bio-Tomatensaft z. B. oder Kakao. Dann
gehen Sie in die "Wiener Aktionisten"-Gruft im Keller des Museums moderner
Kunst und vergleichen - wenn Ihr Versuch das ästhetisch überlebt, dürfen
Sie ihn geschenkgerecht verpacken - und weiter schimpfen. Aber dann als
Kollege. Der pointilistische KartoffeldruckRetro-Wellen hin oder her - lila Batik-Krawatten sind das
Letzte. Dann schon lieber back to the roots, zur gediegenen
Fälscher-Technik, dem Kartoffeldruck. Im Gegensatz zu Surrealistischem wie
Dekalkomanie (Farbabklatsch) oder Frottage ("Abreiben") gibt es hier aus
Weihnachtskarten, T-Shirts oder sogar Krawatten nichts Unterbewusstes zu
lesen: klare Formen, klare Farben, klares Statement zur Tradition. Bieder,
aber ehrlich. Die Gefahr der Peinlichkeit bleibt beherrschbar. Nur bitte
jetzt nicht übertreiben und gleich Sterne ins wässrige Gemüsefleisch
schnitzen. Zeitlose bunte Punkte, wie sie der britische Künstler Damien
Hirst auf Leinwände malen lässt, reichen völlig zur Dekoration. Sonst noch
akzeptabel: der schwarzweiße Pop-Art-Pixel-Raster. Für Krawatten in zu
niedriger Auflösung sozusagen. Die Grundbirne macht's möglich. Mit dieser hübschen Technik lässt sich übrigens auch das
ideale Geschenk für Esoterik-Freunde mit ländlichem Zweitwohnsitz
gestalten: das Bauernschnapsen-Tarot-Set, mit dem man jedem Deppen
ungerächt "den Deppen" legen kann. Das EingemachteApropos Damien Hirst. Der legte mit Vorliebe und
beachtlicher Rendite Haie oder halbe Kühe in Formaldehyd ein. Die
österreichische Version dieses doch eher beunruhigenden
Konservierungsdranges lieferten die ewig verspielten Knaben von "Gelitin"
- formerly known as Gelatin -, indem sie traurige Stofftiere in Sauce aus
Einweckgläsern starren lassen. Aufgehoben für schlechtere Zeiten. Sie
sollten sich anschließen, aber nicht ganz so, äh, inspiriert. Wie wäre es
etwa mit der Batik-Krawatte vom letzten Jahr (siehe Kartoffeldruck)? Ganz
romantisch, mit dem ersten Liebesbrief? Der Lieblings-Buchseite? Oder der
letzten Zigarette? Oder, eingedenk des verweichenden Gedankenjahres, mit
in Wasserglas eingelegten Eiern? Drei bis sechs Monate, also bis Ostern
dürften sie halten - dann kann sie der Beschenkte bemalt noch einmal
verschenken - eine Gabe mit Nachhaltigkeit also. Mit Lebensmitteln spielt man nicht, sagen Sie? Vielleicht, aber basteln darf man sie schon. Hier die ideale Lebensaufgabe für den manischen Lebensmittelbastler: die koreanische Buchstabensuppe. Der Ärger-AkkumulatorDer späte Wilhelm Reich schenkte der Menschheit
u. a. das Konzept des Orgon-Akkumulators, der die Lebensenergie
sammeln soll. Das ist uns zu esoterisch. Wir sind da einfacher gestrickt.
Schließlich ist die Lebensenergie öfters weniger das Problem als dieser
ärgerliche Grundärger, dieser grundlose Grant, gegen den auch ein
Gutschein für eine Urschreitherapie machtlos ist. Also ab mit dem Ärger in
die unschuldige Kiste. Ein ideales Geschenk. Denn, materiell gesehen, kann
nichts Falsches drinnen sein. Und wenn das nichts hilft, empfehlen wir die von der
Psycho-Industrie noch völlig unausgeschöpften Benefits der klassischen
Weihnachts-Krippe: Schenken Sie Ihrem genervten Liebsten eine
Heilige-Familien-Aufstellung frei nach Hellinger! Sind Sie der Esel,
müssen Sie notfalls abwaschen. Macht nichts. Vielleicht schenkt Ihnen ja
jemand einen Ärger-Akkumulator. [Fotos: Clemens Fabry] |
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