Ein Besucher passiert einen Ausstellungsraum der
3. Berlin Biennale (Foto: AP)
| "Urbane Konditionen", "Migration" und "Anderes Kino" lauten
einige der Schwerpunkte der 3. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst.
Sie präsentiert sich an Orten wie dem Martin-Gropius-Bau, den Kunst-Werken
und dem Kino Arsenal. Die vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Schau wird
am Freitag von Kulturstaatsministerin Christina Weiss eröffnet.
Kulissen für Holzbuden im Trapperstil, eine Bühne mit
bunten Zeltplanen und einige Bretterkonstruktionen, die an Würstchenbuden
erinnern, wo statt Würstchen allerdings kunsttheoretische Publikationen zu
betrachten sind. Es war Bert Neumann, dem Chefbühnenbildner der Volksbühne
am Rosa-Luxemburg-Platz, vorbehalten, dieses Entree zur 3. Berlin Biennale
zu gestalten, in dessen Mitte sich nun, wie auf dem Jahrmarkt, die
versammelte Hauptstadtpresse drängelt.
Das Spartanische ist
Programm, und Neumanns Budenzauber ist bereits soviel wie das gebaute
Manifest dieser Ausstellung, die vorführen will, dass zeitgenössische
Kunst mitten im schlichten, alltäglichen Leben stattfindet, im Rohbau der
Kultur sozusagen, und nicht mehr in den Traumsphären musengeküsster
Sonderlinge.
Die Berlin Biennale: Sie versteht sich weniger als
ästhetischer Entwurf. Hier wird noch ehrlich am sozialen Gewissen
gearbeitet, allen Künstlerinnen und Künstlern voran die künstlerische
Leiterin Ute Meta Bauer. Sie lobt immer wieder das persönliche Engagement
der jungen Künstler, die sie als ihre Schützlinge zu betrachten scheint.
Entsagungsvoll, unter Verzicht auf jeglichen Geniekult und sonstige
Eitelkeiten, habe sie ihre Werke in den Dienst der gemeinsamen Sache, in
den Dienst der sozialen Botschaft gestellt, die da lautet: Wenn es schon
keine Utopien mehr gibt: in der Kunst blüht die Hoffnung der
globalisierten Welt.
So gruppieren sich die ausgestellten
Installationen, Videos und Internetprojekte um Dokumentationen des
täglichen Lebens. Die Hälfte der 50 Künstler lebt in Berlin, die andere
hat sich was zu Berlin einfallen lassen. Die Berlin Biennale, um nicht mit
irgendeiner anderen Veranstaltung zufällig verwechselt zu werden, muss
natürlich Berlin thematisieren. Ute Meta Bauer:
Ich fühle mich auch mit dieser Biennale dem Standort
verpflichtet, einer Geschichte, die sich an diesem Ort Berlin
eingeschrieben hat. Auch das ist natürlich eine internationale Geschichte,
hat aber eine ganz andere Verankerung. Und gerade in dem Jahr 2004 jetzt
auch der EU-Erweiterung stellen sich hier ganz andere Fragen. Für mich war
es extrem wichtig, die Berlin Biennale hier zu verorten. Es gibt sehr
viele parallele Berlins zurzeit, die teilweise sehr getrennt voneinander
ablaufen. Auch die Beiträge, die von außerhalb hier stattfinden, haben
einen Bezug zu Berlin.
Die Berlin Biennale wirkt schon seit
ihrer Gründung so, als hätten einige Kulturpolitiker im Nachwendekater
plötzlich die städtische Subkultur für sich entdeckt, um irgendwie Werbung
für weiche Standortfaktoren zu machen. Insofern wirkt es nun schon
einigermaßen zweideutig, um nicht zu sagen naiv, wenn Ute-Meta Bauer, wie
2002 Okwui Enwezor auf der documenta 11, die demokratische
Institutionenkritik zum Zweck der Kunst erheben will. Ausgerechnet hier.
Ausgerechnet mit einer solchen Veranstaltung, gesponsert vom
Hauptstadtkulturfonds.
Dazu passt, dass man einerseits vor allem
junges Publikum anlocken will, andererseits einen Teil der Ausstellung
aber im Martin-Gropius-Bau zeigt, in dem üblicherweise die
hochrepräsentativen Großschauen der Berliner Festspiele abgefeiert werden.
So hinterlässt nahezu alles, was auf dieser Biennale zu sehen ist, den
traurigen Eindruck einer Als-Ob-Kultur, einer dauernden Behauptung von
authentischer "Szene". Man tut eben so. Und das ist nicht einmal unbedingt
die Schuld der Künstler oder der ausgestellten Werke.
Die Biennale
sortiert sich in fünf so genannte Hubs - das
englische Wort für Verteilerpunkte - in denen die zentralen Themen
Aussagen gebündelt werden sollen.
Ute Meta Bauer: Die Hubs: "Urbane Konditionen", "Migration", "Sonische
Landschaften", "Moden und Szenen" und "Anderes Kino" sind entnommen
Diskursen und Diskussionen, die in dieser Stadt virulent sind, die hier
aktuell sind, an denen intellektuelle Kulturproduzentinnen etc. seit
Jahren letztendlich auch arbeiten.
In den Räumlichkeiten
der Kunstwerke in der Auguststraße hat man vor allem die Abteilung über
"Moden" und über "Sonische Landschaften" untergebracht. Hier geht es
dokumentarisch um den Genderdiskurs im Alltagsleben, wie findet zum
Beispiel Feminismus in der Mode statt, oder um wachsende
Gleichberechtigung in der Rockmusikszene.
Auch alternative
Modenschauen sollen Bestandteil dieser Biennale sein. Im
Martin-Gropius-Bau findet sich einmal mehr eine Abteilung zur Migration
und zum Leben in urbanen Räumen. Hier trifft man die bereits seit vielen
Jahren einschlägigen Reportagevideos, Fotografien von kahlen
Plattenbausiedlungen und soziologische Projekte zum Ausverkauf von ganzen
Stadtzentren infolge der Globalisierung. Der Neuigkeitswert in dieser
Abteilung ist insgesamt bescheiden, doch lassen sich hier andererseits
immerhin auch einzelne Arbeiten entdecken, die auch ästhetisch überzeugen.
Der 1960 geborene Isaac Julien aus London entwirft in einem großen
Videotriptychon als Rauminstallation eine geschickt angelegte
Filmerzählung, in der es um eine rätselhafte Verfolgungsjagd zwischen
einem alten Mann und einem weiblichen schönen Cyborg geht. Die Jagd führt
durch verschiedene leere Museumskomplexe, so dass Realität und Ausstellung
sich ständig verwischen.
Melik Ohanian dagegen ist ein Künstler
aus Paris, der in seiner großen Videoinstallation die Kamera lautlos durch
menschenleere Industrieviertel des alten Liverpool gleiten lässt, wodurch
die architektonischen Hinterlassenschaften und Brachflächen einen
gespenstisch-mythenhaften Eindruck von der Geschichte der
Industrialisierung erzeugen.
Beispiele wie diese, die den
Betrachter durchaus gefangen nehmen, eine dichte Atmosphäre erzeugen, den
Blick beeinflussen können, zeigen, was diese Biennale auch hätte leisten
können, ohne dabei Abstriche bei ihrer thematischen Ausrichtung zu machen.
So aber bleibt die müde Erkenntnis, dass irgendwann auch Berlin als
Aussage, als tausendfach beschworener "Zustand an sich" seinen
legitimierenden Reiz verliert. Spätestens dann, wenn es nichts Neues mehr
zu sagen gibt.
Service:
Die 3.
Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst findet vom 14. Februar bis 18.
April 2004 an verschiedenen Berliner Veranstaltungsorten
statt.
Link:
3. Berlin
Biennale |