Hauptausgabe vom 15.12.2001 - Seite 009
GESPRÄCH: Medienkünstlerin Elke Krystufek in der Stadtwerkstatt über Körper und Exhibitionismus

"Verzweiflung kann auch komisch sein"

VON CHRISTIAN PICHLER

Gezielte marktschreierische Provokation? Oder Opfer einer einseitigen Rezeption? Wer den Namen Elke Krystufek in den Mund nimmt, denkt oft sofort an die Medienkünstlerin, die in ihren Videos am Busen herumfummelt oder ihre Menstruation dokumentiert. Oder an den "Skandal", als sie 1994 bei der Eröffnung der "Jetztzeit"-Ausstellung in der Wiener Kunsthalle eine Masturbationsshow bot. Ob sie, deren zentrales Kunstobjekt der eigene Körper ist, nicht auch einmal, zum Beispiel, das Zähneputzen thematisieren wolle? - "Das tu' ich auch, aber meistens vergessen das die Leute. Oder die Landschaften in meinen Videos, darüber spricht kein Mensch."

Körper, ein billiges Medium

Sei's drum. Krystufek, 1970 in Wien geboren, hat sich international einen Namen gemacht, vertrat Österreich 1998 bei der Biennale in Sao Paulo, fehlt bei kaum einer Gruppenausstellung österreichischer Künstler wie eben in Shanghai und Warschau.

Am Donnerstag hielt Krystufek einen Videovortrag in der Linzer Stadtwerkstatt, die derzeit renoviert wird (geplante Fertigstellung Frühling 2002). Im OÖN-Gespräch meint sie über ihre Rolle als öffentliche Person: "Ich bin nicht ständig öffentlich. Ich habe eine Methode entwickelt: Wenn ich mit Brille und ungeschminkt auf die Straße gehe, erkennt mich keiner."

Bleibt dennoch das Rätsel, warum sie ihren Körper mit einer solchen Obsession der Öffentlichkeit zeigt. Die Gründe dafür seien "zum Teil banal": "Ich hatte zehn Jahre Bulimie, da blieb also fast keine Alternative. Zum anderen ist der Körper ein billiges Medium, das jederzeit zur Verfügung steht. In der Kunst wollen Leute ja oft mit etwas beeindrucken, was sich andere nicht leisten können." Darin schwingt natürlich auch kritische Distanz zum "Kunstbetrieb" mit. Und hier gilt es wieder ein Missverständnis aufzuklären: "Ich glaube, ich arbeite viel mit Humor, der oft nicht verstanden wird. Ich bin immer wieder erstaunt, wie humorlos der Kunstbetrieb ist."

Kritische Distanz auch zum Feminismus, Krystufek zitiert gerne den legendären Frauenhasser Otto Weininger: "Ich kann seinen Selbsthass, aus dem Aspekt meiner Bulimie, gut nachvollziehen. Ich glaube, seine Texte enthalten viel Humor." - Aber Weininger meinte es doch todernst?! "Heute klingen diese Texte komisch; anders als vor 90 Jahren, als der Feminismus kaum existierte. Es steckt eine große Verzweiflung darin, Weininger war schwul und konnte diese Seite in sich nicht akzeptieren. Verzweiflung kann auch komisch wirken. Wobei es natürlich Augenblicke gibt, die gar nicht zum Lachen sind."

Letzte Frage, bei den besten Wünschen betreffend Gesundheit: Wie würde die Bild-fixierte Krystufek arbeiten, wäre sie blind? "Ich bin stark kurzsichtig und habe tatsächlich manchmal Angst. Ich könnte versuchen, Sounds zu machen. Aber das wär' kein wirklicher Ersatz."


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