Vorsicht, bissiger BH!
Von Claudia Aigner
Humor ist, wenn man sich trotzdem ein Zäpfchen hinten
reinschiebt. Nämlich eines von denen, die Christian Tinkhauser Thurner in
kleine Schachteln im international anerkannten Medikamentenpäckchen-Design
verpackt hat, denen folglich auch geprüfte Apotheker auf den Leim gehen
können. Und da gibt es neben dem rektal anzuwendenden Humor auch noch die
Medikamente "Moral", "Normal" und "Philosophie". Selbstverständlich
muss niemand, der die Ausstellung "Fallobst - Witz Ironie Kunst" in der
Sammlung Essl in Klosterneuburg besucht, die Hosen runterlassen. Es ist
einem auch so zum Lächeln zumute. Bis 29. April. Christian Ludwig
Attersee hat schon in den sechziger Jahren die bissige Oberweite kreiert
(sozusagen die "Mamma dentata"). Na ja, eher einen Schoßhündchenbusen.
Denn Hunde, deren ausgeweidete Köpfe als Büstenhalter arbeiten, beißen
nicht (sind ja schon in den "ewigen Hundstrümmerl-Gründen"). Wie oft der
Künstlerhumor einen Ausflug ins Tierreich macht, ist schon bemerkenswert.
Deborah Sengl stellt dem Darwinismus ein Haxl. Ihr Schaf im Wolfspelz
kommt vielleicht noch einmal ungefressen davon. Ihr Vogel in der Wurmhaut
(nicht für eine perverse Sexualpraktik in Vogelkreisen gekleidet, aber
eine Art Batman-Verschnitt) hat dagegen die Anbiederung an die Beute im
Sinn. Quasi einen Appell an die Vertrauensseligkeit und den Familiensinn
der Würmer, um dann "im Kreise der Familie" zuschlagen zu können. Die
Qualität dieser Mimikry-Grotesken komplettiert sich durch die saubere
Zeichnung und die bis ins letzte Detail durchdachte Funktionalität der
"Kostüme". Überhaupt zeichnen sich die meisten Exponate der Schau
durch ihre gewissenhafte, ernsthafte Machart aus. Niemand verlässt sich
offensichtlich allein auf die Pointe, sondern packt sie sozusagen in einen
seriös erzählten Witz ein. Der alte Mann und das Klo: Götz Bury hat
"Die Klosituation von Ernest Hemingway" rekonstruiert. Der musste sich
seine Klomuschel zwar nicht erst domestizieren oder zureiten, hat sich
aber quasi seine häusliche sanitäre Anlage komplett in der Wildnis erlegt:
eine Klobrille aus Hirschhorn oder einen Hirschkopf als Klobürstenhalter.
Jägerlatein? Für die andere Seite des Essens (das obere Ende des
Verdauungsapparats) ist Daniel Spoerri bekannt, der die Tafel im
handgreiflichsten Sinne des Wortes aufhebt und sie an die Wand hängt,
nachdem er fein säuberlich die sterblichen Überreste des Mahls, das
Geschirr und Essbesteck aufgeklebt hat. Ein Memento mori. (Die
Vergänglichkeit der Nahrungsaufnahme.) Noch dazu klebt mitten drin ein
Grasfresserschädel, der sich einen menschlichen Totenkopf zwischen die
Kiefer geklemmt hat. (Die Rache des Wildbrets.) Arnulf Rainer, bei dem
wieder alles vor mimischer Energie brodelt, Wolfgang Herzig, bei dem es
die Leute in der Welt eng haben wie Würschtln im Glas (sehr kalorienreiche
Würschtln), und viele, viele andere: Es gibt hier genug Nahrung für ein
hungriges Zwerchfell. Oder genug, was einen dermaßen irritiert, dass man
sich nicht anders zu helfen weiß, als einfach zu grinsen.
Erschienen am: 12.04.2001 |
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