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Hundertwasser: Die Krönung der Spirale

06.07.2011 | 18:35 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Zum 20. Geburtstag schenkt sich das Privatmuseum eine große Ausstellung über - Überraschung - Hundertwasser. "Der grüne Weg" tappt brav im Dunklen die Stationen eines Gesamtkunstwerks ab.

Es lebe Otto von Habsburg!“, rief Friedensreich Hundertwasser zu des Thronfolgers 75.Geburtstag aus – und tatsächlich sollte dieser ihn elf Jahre überleben. Vegetative Malerei, organische Häuser, Komposttoiletten und Baummieter, alles vereint unter einer Krone. Man staune – aber der 2000 verstorbene dunkelbunte Spiralist nannte sich nicht nur so, sondern sah den Frieden tatsächlich im Reich, im Habsburger-Reich garantiert. Unter die Fittiche des Doppeladlers flüchteten sich der notgedrungene Hitlerjunge Hundertwasser und seine jüdische Mutter wohl aus Furcht vor den Nazis einerseits und vor den Kommunisten andererseits. Das Weltbild eines 68er-Avantgardisten stellt man sich im Allgemeinen trotzdem nicht so vor.

Im Vergleich dazu birgt die große Hundertwasser-Sonderausstellung zum 20.Geburtstag „seines“ Museums, des „Kunst Hauses Wien“, nur homöopathische Überraschungen. Etwa, dass besagte Mutter Elsa, deren Mann starb, als das Kind ein Jahr alt war, ebenfalls malte. Und das gar nicht so schlecht, wie ein Venedig-Bild zeigt. Dass Superfund-Manager Christian Baha Hundertwasser-Sammler (und Leihgeber) ist – ein gutes Investment, ist Friedrich Stowasser immerhin Österreichs teuerste Exportware auf dem internationalen Kunstmarkt. Oder dass Hundertwassers japanische Exfrau fast 50 Jahre nach der Scheidung noch immer wunderschön ist, wie sie bei der Eröffnung bewies.

 

Künstlerinnen bitte Kleinformat

Eine kurze Ehe in den 1960er-Jahren – auch Hundertwasser war, wie viele seiner radikalen Künstlerkollegen, privat Traditionalist. Die Frau als Künstlerin? Gern, aber bitte im Kleinformat. Das war Yuko Ikewada zu wenig, auch wenn sie bis zum Tod befreundet blieben, erzählt sie.

Aus ihrer Sammlung stammt eines der intimsten Bilder der Ausstellung, das die beiden wichtigsten Quellen Hundertwassers vereint: „Die Nachbarn – Spiralsonne und Mondhaus“ (1963), in magisch-dunkelbunten Farben, mit viel komplementärem Rot und Grün. Die realisierten Visionen seiner Häuser – der dritten Haut des Menschen, wie er zur Not auch nackt proklamierte – machten aus dem Revolutionär die Touristenattraktion, die er heute ist. Ihre kommerziell verwertete Ästhetik, die man Kitsch nennen kann, machen ihn so angreifbar.

Da sehnt man sich nach der 1953 erstmals gezogenen Urspirale zurück, einem Manifest übrigens nicht nur gegen Loos' gerade, sondern auch gegen die „betrunkene Linie“. Ihr Bild sucht man in der Ausstellung allerdings vergeblich – wer besitzt diese Ikone wohl?

Wie eine solche hielt Prophet Hundertwasser seine heilsbringenden Spiralbilder in Ein-Mann-Prozessionen in die Höhe – ob in der Wiener Innenstadt oder in Tokio Anfang der 1960er. Seine Selbstdarstellungen waren perfekt inszeniert, wie eine Unzahl historischer Fotos in der Ausstellung beweisen, für die Hundertwasser sich in lässige Künstlerposen warf. Das beste schoss Christian Skrein. Es zeigt Hundertwasser nur als Schatten, als „Glasmolch“ auf dem Glasdach seines Innenstadtateliers, des legendären ehemaligen Studios von Otto Wagner, liegend.

Franz Hubmann zeigte 1985 dann die eitlen Auswüchse des Alters: einen borniert wirkenden Hippie-Diktator in einer spießigen Blumentopf-Oase, seiner Meisterklasse in der Akademie. Damals begannen die Spiralen sich schon in unendliche Langeweile zu ziehen. 1959 waren sie noch provokante Gedichte, die von der Polizei im Zaum gehalten werden mussten: Da schlängelte sich ein „Spiraloid“ zehn Kilometer lang über Wände, Fenster, Türen von Hundertwassers Klasse auf der Hamburger Kunsthochschule am Lerchenfeld.

 

Spirale und Koran

Ein historisches Happening von Studenten, Hundertwasser, Bazon Brock und einem hierzulande unbekannten Herbert Schuldt, der auf einem der Fotos einen Koran hochhält. Warum? Das bleibt im Dunkeln. Wie diese Ausstellung, die eher der schwarze als „Der grüne Weg“ heißen müsste. Man tastet sich von Leihgabe zu Leihgabe, von einer Lebensstation zur anderen, mehr in einer Regennacht als an einem Regentag, wie Hundertwasser sein mobiles Heim, einen ehemaligen Salzfrachter, nannte.

An diesen Tagen begännen die Farben zu leuchten, könne er am besten arbeiten, sagte er. Da dachte er an die Schrebergärten seiner Kindheit auf der Schmelz und malte eingezäunte Traumgärten. Dachte ans Trauma seiner Kindheit, die NS-Verfolgung seiner Familie, und malte rote Seen und blutige Tränen. Dachte an den Menschen als Pflanze, die Pflanze als Haus, das Haus als Menschen. An seine selbst gemachten Schuhe, seine Gärten, Ateliers, Thermen und Müllverbrennungsanlagen, sein ganzes großes Gesamtkunstwerk gegen den Mainstream, das vom Mainstream verschluckt, verdaut und immer wiederverwertet wird. Und das ist eigentlich ganz gut so.

Untere Weißgerberstraße 13, Wien 3, bis 6.11., tägl. 10–19h.


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