Damals, als Wien Fukushima war
Heinz Bayer salzburg (SN). Am 2. März wäre der 1921 in Wien geborene Fotograf Ernst Haas 90 Jahre alt geworden. Er starb 1986 in seiner Wahlheimat New York.
Das Museum der Moderne Rupertinum widmet ihm aus Anlass der 90. Wiederkehr des Geburtstages eine Ausstellung. Es sind großteils Arbeiten in Schwarz-Weiß, Abbilder einer Zeit, in der Österreich in Trümmern lag. Sie entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 1945 und 1948 – vor allem in Wien. Auch wenn der Begriff inflationär sein mag: Viele dieser frühen Arbeiten von Haas, die letztlich seine Weltkarriere begründeten, sind Ikonen, Teil der österreichischen Geschichte – und in ihrer Gültigkeit erschreckend aktuell. Die über sechzig Jahre alten Momentaufnahmen zeigen eine Phase, in denen Wien Fukushima war. Als ein Tsunami, dessen verheerende Zerstörungskraft sich aus Rassenwahn und Kriegstreiberei speiste, Wien und viele andere Städte und Landstriche in Schutt und Asche gelegt hatte. Die gewählten Bildformate sind nicht wie bei früheren Ausstellungen überdimensional. Die Fotografien gehen durch ihre klare Sprache, ihre meisterhafte Komposition, ihre Unmittelbarkeit und das Gespür für den richtigen Moment aber immer wieder unter die Haut. Zu sehen sind Menschen, die in einer Trümmerwelt um ihr Überleben, zugleich aber um ihre Würde kämpfen. Haas hat ihnen die Würde, trotzdem er mit kurzen Brennweiten arbeitete und so Teil der Situation war, nicht genommen – selbst, wenn er sie in sehr emotionalen Momenten aufnahm.
Ein Teil der Ausstellung ist der Beschäftigung von Haas mit der Farbfotografie gewidmet. Ab 1951 experimentierte er mit dem damals neuen Kodachrome-Material und betätigte sich als Maler mit der Kamera. Er spielte mit extremen Kontrasten und hauchte durch geschicktes Einsetzen von Bewegungsunschärfe den Arbeiten Poesie und Dynamik ein.
Haas war ein Mann, dem es in seiner Arbeit immer auch um Unabhängigkeit ging. Das „Life“-Magazin hatte ihm das Angebot gemacht, dauerhaft Mitglied der Fotoredaktion zu werden. Er lehnte ab, nahm ein Angebot Robert Capas an und wurde Mitglied der legendären Fotoagentur Magnum. Ernst Haas, MdM Rupertinum, bis 26. Juni; Mo. bis So., 10 bis 18 Uhr; Mi. bis 20 Uhr, inklusive kostenloser Führung um 18.30 Uhr.