Von weitem ragte sie dem Festspiel-Publikum schon
entgegen: Die stramme, rosige Männlichkeit der überlebensgroßen nackten
Plastilinfigur, die vis-à-vis vom Salzburger Festspielhaus, vor dem
Rupertinum, den Kopf nach hinten streckt und mit dem Körper artistisch
eine Brücke schlägt. Die - immerhin - tennisbesockten Füße auf einem
Gerümpel-Turm alter Kästen abgestützt, die Hände auf einem zweiten. Das
erigierte Stück wurde zum Springbrunnen, der offene Mund zum Becken.
Eindeutig: "Gelatin" ist hier. Die österreichische
Künstlergruppe ist für ihre mitunter exhibitionistischen Aktionen
international bekannt und erfolgreich. 2001 waren die vier jungen Männer
Österreichs Vertreter auf der Biennale Venedig. Agnes Husslein,
Rupertinum-Chefin, hat sie nach Salzburg eingeladen und steht zu ihnen.
Freitag Vormittag rückte die Feuerwehr an, sperrte den
Platz ab und verhüllte unter Gejohle der Schaulustigen den "Triumphbogen"
und die Künstler, die schützend auf ihr Werk geklettert waren.
Wie es dazu kam? Die Stadt hatte Freitag früh die
Entfernung des Kunstwerkes beschlossen, da es widerrechtlich am
öffentlichen Platz vor dem Rupertinum errichtet worden sei. Eine rein
inhaltliche Entscheidung, empörten sich die Künstler wie Husslein, die
sich auf mündliche Genehmigungen der Behörden sowie zwei offizielle
Lokalaugenscheine beruft. Immerhin würden Gelatin seit Montag am "Arc de
Triomphe" arbeiten. - Erst am Donnerstag allerdings wurde das prekäre
Detail aufgerichtet. Freitag Mittag wurde es in Beisein der
Vizebürgermeister Karl Gollegger (VP) und Siegfried Mitterndorfer (FP)
verhüllt. Erst mit einer Plastikplane, dann begann man rund um die
Skulptur einen hölzernen Verschlag aufzuziehen. Bis zur offiziellen
Eröffnung der Festspiele am Abend musste sie aus dem Blickfeld
verschwunden sein. Gelatin weigerten sich, ihre Arbeit, wie von der Stadt
ursprünglich vorgeschlagen, in den ummauerten Vorhof des Rupertinums
versetzen zu lassen - aus Angst vor Beschädigung.
Indessen wurde im Museum die Jean-Dubuffet-Retrospektive
der Presse präsentiert. Ein denkbar schlechtes Timing für diese
umfassende, gut gemachte Ausstellung. Im Herbst übersiedelt "Spur eines
Abenteuers", ergänzt um einige großformatige Arbeiten, ins
Guggenheim-Museum nach Bilbao. Im Rupertinum vollzieht Kuratorin Caroline
Messensee auf vier Geschossen und mit 120 Bildern und Plastiken die
Entwicklung des französischen Künstlers (1901 bis 1985) nach. Fasziniert
von der "art brut" suchte Dubuffet das Ursprüngliche in der Kunst. Von
reliefartigen Materialbildern kam er zu Graffiti-ähnlichen
Umrisszeichnungen, schuf in den 60er und 70er Jahren eine ganze eigene
Welt mit seinen bunten, einfachen Formen. In seinem letzten Jahrzehnt
wurde er immer radikaler, abstrakter, reduzierte die Farben - und
erreichte die "Nicht-Orte", wo, ganz nach seinem Motto, die Kunst zum
Geist spricht und nicht zu den Augen.
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