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26.07.2003 - Kultur News
Salzburger Erregung am "Triumphbogen"
Aufregung zu Beginn der Salzburger Festspiele: Während die Dubuffet-Ausstellung eröffnet wurde, ließ die Stadt Gelatins "Arc de Triomphe" verhüllen.
VON ALMUTH SPIEGLER


Von weitem ragte sie dem Festspiel-Publikum schon entgegen: Die stramme, rosige Männlichkeit der überlebensgroßen nackten Plastilinfigur, die vis-à-vis vom Salzburger Festspielhaus, vor dem Rupertinum, den Kopf nach hinten streckt und mit dem Körper artistisch eine Brücke schlägt. Die - immerhin - tennisbesockten Füße auf einem Gerümpel-Turm alter Kästen abgestützt, die Hände auf einem zweiten. Das erigierte Stück wurde zum Springbrunnen, der offene Mund zum Becken.

Eindeutig: "Gelatin" ist hier. Die österreichische Künstlergruppe ist für ihre mitunter exhibitionistischen Aktionen international bekannt und erfolgreich. 2001 waren die vier jungen Männer Österreichs Vertreter auf der Biennale Venedig. Agnes Husslein, Rupertinum-Chefin, hat sie nach Salzburg eingeladen und steht zu ihnen.

Freitag Vormittag rückte die Feuerwehr an, sperrte den Platz ab und verhüllte unter Gejohle der Schaulustigen den "Triumphbogen" und die Künstler, die schützend auf ihr Werk geklettert waren.

Wie es dazu kam? Die Stadt hatte Freitag früh die Entfernung des Kunstwerkes beschlossen, da es widerrechtlich am öffentlichen Platz vor dem Rupertinum errichtet worden sei. Eine rein inhaltliche Entscheidung, empörten sich die Künstler wie Husslein, die sich auf mündliche Genehmigungen der Behörden sowie zwei offizielle Lokalaugenscheine beruft. Immerhin würden Gelatin seit Montag am "Arc de Triomphe" arbeiten. - Erst am Donnerstag allerdings wurde das prekäre Detail aufgerichtet. Freitag Mittag wurde es in Beisein der Vizebürgermeister Karl Gollegger (VP) und Siegfried Mitterndorfer (FP) verhüllt. Erst mit einer Plastikplane, dann begann man rund um die Skulptur einen hölzernen Verschlag aufzuziehen. Bis zur offiziellen Eröffnung der Festspiele am Abend musste sie aus dem Blickfeld verschwunden sein. Gelatin weigerten sich, ihre Arbeit, wie von der Stadt ursprünglich vorgeschlagen, in den ummauerten Vorhof des Rupertinums versetzen zu lassen - aus Angst vor Beschädigung.

Indessen wurde im Museum die Jean-Dubuffet-Retrospektive der Presse präsentiert. Ein denkbar schlechtes Timing für diese umfassende, gut gemachte Ausstellung. Im Herbst übersiedelt "Spur eines Abenteuers", ergänzt um einige großformatige Arbeiten, ins Guggenheim-Museum nach Bilbao. Im Rupertinum vollzieht Kuratorin Caroline Messensee auf vier Geschossen und mit 120 Bildern und Plastiken die Entwicklung des französischen Künstlers (1901 bis 1985) nach. Fasziniert von der "art brut" suchte Dubuffet das Ursprüngliche in der Kunst. Von reliefartigen Materialbildern kam er zu Graffiti-ähnlichen Umrisszeichnungen, schuf in den 60er und 70er Jahren eine ganze eigene Welt mit seinen bunten, einfachen Formen. In seinem letzten Jahrzehnt wurde er immer radikaler, abstrakter, reduzierte die Farben - und erreichte die "Nicht-Orte", wo, ganz nach seinem Motto, die Kunst zum Geist spricht und nicht zu den Augen.



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