|
Kurt Kladler: Ich weiss, dass
man hier nicht sprechen sollte – aber mir wurde eben so unkonkret vor
Augen.
Samuel Herzog: Wieso unkonkret? Ich sehe da hinten so etwas
Helles, Rundes, Mondiges…
KK: Ein Mond? Das wäre schon etwas
Konkretes und würde auch zur Nacht passen, die hier in diesem Raum fast
mit Händen nach mir greift.
SH: Der Mond wird doch konkret, sobald
ich es mir gestatte, dieses helle Etwas als Mond anzusprechen,
anzusehen.
KK: Mag schon sein. Wenn ich aber an die Eröffnung hier
denke, so wird diese konkretisierte Mondigkeit wohl kaum als Leitstern des
Hauses fungieren können. Da müssten Sie schon von der naturhaften
Entsprechung absehen und einen etwas dämmrig schimmernden Kreis als Form
erkennen.
SH: Mir kommt es sowieso seltsam vor, dass ein Haus
Konstruktiv, dessen Spezialität ja wohl immer noch die konkrete Schweiz
ist, mit einer von James Turrell gestalteten Ausstellung seine neuen Räume
einweiht.
KK: Das erscheint mir nicht verwunderlich. Auch der neue
Zumthor-Bau in Bregenz wurde mit einer Ausstellung von Turrell eröffnet.
Die Parallelaktion ist bemerkenswert – gerade weil sich Turrell gar nicht
als ‹Eröffnungskünstler› eignet: Dem Narzissmus der Form wurde in Bregenz
arg mitgespielt, das Ebenmass der Räume wurde durch die
Schachtelarchitektur der Ausstellung gleichsam konterkariert wenn nicht
gar parodiert. Die Räume mit den glattpolierten Betonwänden wurden zur
Vorhalle, in der sich die Zuschauer drängten.
SH: Mich erstaunt
diese Wahl für die Eröffnung aus einem anderen Grund: Die Arbeit von
Turrell scheint doch in eine ganz andere Richtung zu gehen als die der
Konkreten. Bei den Konkreten geht es doch immer auch darum, das
Zusammenspiel optischer Gesetze zu verfolgen und daraus etwas über die
eigene Wahrnehmung zu lernen – ein intellektuelles Vergnügen. Turrell
hingegen hat immer diesen Überforderungseffekt – es ist zu dunkel, zu
hell, zu blau, zu schön, zu aggressiv manchmal auch. Da begreife ich vor
allem, dass ich nicht begreifen kann – und alles, was ich damit tue, ist
ein individueller Entscheid.
KK: Dann sind Sie wahrscheinlich in
einer anderen Ausstellung als ich. Mir erscheint es durchaus
nachvollziehbar, wenn mit dem architektonischen Mittel der Verräumlichung
und Lichtregie visuelle Eindrücke erzeugt werden, die von ihrer Form und
ihrer visuellen Qualität her sehr unmittelbare Erfahrungen ermöglichen.
Allerdings weiss ich nicht, ob diese Auffassung von Architektur mit den
Ideen der Gründungsgeneration eines Theo van Doesburg in Einklang zu
bringen sind.
SH: Sicher kann man das so sehen – aber ist es das,
was uns hier festhält? Ich fühle mich hier manchmal eher wie in einem
Kinoraum, jedenfalls habe ich latent immer die Erwartung, dass hier gleich
das kinematographische Wunder geschieht, sich Welten auftun. Und aus
dieser Erwartung heraus generiere ich eigene ‹Filme›.
KK:
Vielleicht sind es die Wunder der Natur, des Lichtes, die hier inszeniert
werden. Das physische Material des inneren Films und die Semantik des
Erhabenen führen hier wohl zu Missverständnissen. Wenn ich beispielsweise
an konkrete Poesie denke, so ist die Verwendung des Lautmaterials, die
buchstäbliche Konkretheit der grafischen Gestaltung ein wesentliches
Moment. Es ist die Semantik der Form, der den Kosmos der eigenen
Assoziationen erschliesst. Trotzdem kann ich dieses Missverständnis des
Erhabenen nachvollziehen. Mir erschien der nette Herr mit Taschenlampe,
der mich bei der Arbeit ‹Coconino› in Filzpantoffeln schlüpfen liess,
damit ich damit ein violett glimmendes Sanktuarium betreten könne, eher
wie ein Tempelwächter aus dem alten Ägypten.
SH: Turrell selbst
formuliert ja, dass es ihm um das Wahrnehmen der Wahrnehmung gehe. Wenn
ich aber hier schon mal aufgefordert werde, meiner Wahrnehmung Raum zu
geben, dann ist es doch seltsam, wenn ich gleichzeitig unterschwellig
Regeln befolgen muss, die bestimmen, was wahrgenommen werden muss und was
man ausblenden soll. Kunst ist ja keine heisse Herdplatte, von der ich,
ohne darüber nachzudenken, die Finger nehme – also gehören doch zur
Wahrnehmung von Kunst auch all die Gefühle, die sie auslöst. Auch wenn die
leichte Beklemmung, die ich hier in diesem dunklen Raum spüre, ja mehr mit
meiner psychischen Vorgeschichte als mit dem Kunstwerk zu tun hat.
KK: Wir sollten andere Aspekte des Werkes von Turrell nicht
vergessen. Nebst diesen Räumen, in denen das Licht gleichsam pigmentartig
verteilt ist, gibt es hier in Zürich ja auch noch Druckgrafiken zu sehen.
Die Ausstellung bietet nicht nur einen Erlebniseffekt, sondern durchaus
auch eine künstlerische Ausdrucksweise, die formalen Auffassungen der
Konkreten entspricht. Diese beiden Dispositive kommen meines Erachtens bei
den Grafiken auch im Wegnehmen der Farbe zum Tragen. Es entsteht so ein
geistig anregendes Spannungsverhältnis zwischen den intensiven Farben
vieler Arbeiten in der gleichzeitigen Ausstellung ‹Schweiz konkret› und
den reduziertenen Dunkeltönen in der Druckgrafik von Turrell. Das ist für
mich der wirkliche Gewinn dieser Ausstellung.
|