Die 12.Architektur-Biennale präsentiert sich bis
21. November unter dem Titel "People meet in architecture"
Nebelklänge und Gartenschläuche
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Installation "Cloudscapes" der Architekten Transsolar & Tetsuo Kondo
auf der Biennale. Foto: apa
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Von Judith
Schmitzberger
Mit Kazuyo
Sejima hat in Venedig erstmals eine Frau das Sagen.
Sie hat 46 Beiträger zu einer teils sehr
sinnlichen Schau eingeladen.
Dazu
präsentieren sich 53 Nationen in Pavillons.
Venedig. Fertige
Werke auszustellen, ist als Konzept für eine Architektur-Ausstellung
nicht realisierbar. Häuser und Brücken sind meist nicht portabel. Was
eine Architekturausstellung jenseits der Präsentation von Werken
eigentlich sein kann und soll, das thematisierte der Präsident der
Architektur-Biennale, Paolo Baratta, bei seinem Eröffnungsstatement der
diesjährigen Ausgabe. In einem Jahr, in dem einige der Probleme, die
beim Gestalten einer Architektur-Schau auftreten könne, auch in der
Umsetzung zu beobachten sind. Jedoch eingebettet in ein Konzept, das
auch mit poetischer Sinnlichkeit überzeugt.
Mit der japanischen Architektin und Pritzker-Preisträgerin
Kazuyo Sejima ist erstmals eine Frau für die künstlerische Gestaltung
der Biennale in Venedig zuständig. 46 Beiträge internationaler
Architekten und Teams hat sie kuratiert. Deutlich weniger Projekte als
in den vergangenen Jahren. Als Motto hat sie den alles und nichts
sagenden Slogan "People meet in architecture" ausgegeben. Für die
Gestaltung ihrer Beiträge hat Sejima den teilnehmenden Architekten dann
absolut freie Hand gelassen. Ein Mittel zur Förderung von kreativen
Freiräumen, das jedoch auch die Gefahr der Beliebigkeit in sich trägt.
Das ist neben vielen Pluspunkten der Schatten-Aspekt dieser
Biennale-Ausgabe. Denn ein klarer roter Faden findet sich in der nicht.
Nebel- und Klangräume
Dem ausgegebenen Motto "People meet in architecture", also der
Vorstellung, dass sich Menschen in Architektur begegnen, sind nur wenige
Projekte nachgekommen. Das Studio Mumbai etwa hat mit "Work place" eine
Werkstatt inklusive Fliesen und Holzmodellen aufgebaut und damit den
sinnlich handwerklichen Gemeinschaftsaspekt des Bauens herausgearbeitet.
Hans Ulrich Obrist hat in Videos alle Teilnehmer interviewt. Ein kluger
und gut realisierter, jedoch sehr zeitintensiver Beitrag, für den man
viel Zeit braucht. Und mit den organisch fließenden Modellen von Toyo
Itos Opernhaus in Taichung (Taiwan) ist an sich schon ein menschlicher
Treffpunkt präsentiert.
Abgesehen vom Motto überzeugen dieses Jahr vor allem Beiträge, die an
der Grenze zur künstlerischen Installation angesiedelt sind. Konzepte
also, die Räume in Szene setzen, die Ausstellungsräume selbst
inszenieren. Mit ganz verschiedenen Mitteln von Klang über Nebel bis hin
zu Wasser. Transsolar & Tetsuo Kondo Architects aus Deutschland
haben mit "Cloudscapes" einen Raum mit Nebel inszeniert. Der schwebt in
der Mitte des Raumes und teilt ihn feinsäuberlich in drei Schichten, die
über eine schwebende Spirale zu durchwandern sind.
Wie Klänge einen Raum formen und ins Zentrum der Aufmerksamkeit
rücken können, zeigt die Canadierin Janet Cardiff mit "The Fourty Part
Motet". Dafür hat sie einen leeren Raum mit 40 Lautsprechern gefüllt,
über die eine niederländisch-polyphone Motette von Thomas Tallis
erklingt. Ein simples und höchst meditatives Klang- und Raumerlebnis.
Dem Element Wasser widmet sich der Lichtkünstler Olafur Eliasson, der im
Dunkel tanzende Gartenschläuche Wasser spucken lässt und diesen Vorgang
durch Blitzlichter sichtbar macht.
Darüber hinaus zeigt die Schau eine lose Aneinanderreihung diverser
Projekte, Entwürfe und Installationen in allen Größen und Formen. Teils
bemüht, teils recht beliebig. Schon vor der Eröffnung am Samstag stand
einer der Preisträger der Biennale fest: Der Goldene Löwe geht 2010 für
sein Gesamtwerk an Rem Koolhaas. Der beste Ausstellungsbeitrag und die
überzeugendste Länder-Präsentation im Rahmen der Biennale werden dieses
Wochenende gekürt.
Nicht im künstlerischen Verantwortungsbereich von Kazuyo Sejima ist
der zweite Bereich der Biennale: die Präsentationen von insgesamt 53
nationalen Beiträgen, die in mehr als 30 Länder-Pavillons zu sehen sind.
Teilweise in einer langen Halle, großteils jedoch in den weitläufigen
Giardini sind höchst unterschiedliche Positionen und Herangehensweisen
zu sehen – von schlichter Poesie über trockene Theorie und langatmige
Historie bis hin zu wilder Fantasie ist alles vertreten.
Kitsch, Poesie und Theorie
Einige Länder, so auch Österreich (siehe rechts) , haben
sich für eine mehr oder weniger gut ungesetzte Leistungsschau
entschieden. Sehr aufgeräumt und schlicht überzeugen dabei Brasilien und
die nordischen Staaten. Die Schweiz widmet sich in einer
übersichtlichen Schau dem Thema Brückenbau.
Ein tragisch aktuelles Thema behandelt Chile: Es thematisiert mit
"8,8" die Zerstörungskraft des jüngsten Erdbebens diesen März. Soziale
Themen dominieren bei vielen Ländern: Das Zusammenleben in Städten
findet sich mehrmals, sehr gut umgesetzt von Dänemark und Frankreich,
etwas undurchsichtig von den USA und im Rahmen einer schrägen 3D-Disco
von Australien. Einer der Favoriten für den besten Pavillon ist Japan
mit einer sinnlich starken Auseinandersetzung mit der Auswirkung
politischer Systeme auf das jeweilige Stadtbild.
Ägypten zeigt einen kitschigen Goldrausch, Rumänien ein leeres Haus,
Tschechen und Slowaken haben viel Holz vor und in der Hütte.
Griechenland baut eine Arche mit Olivenöl und Ziegenkäse. Erlaubt ist
hier nicht nur, was gefällt. Wie in der architektonischen Realität.
http://www.labiennale.org
Printausgabe vom Samstag, 28. August
2010
Online seit: Freitag, 27. August 2010 17:40:00
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