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Kunstberichte

Die Luzerner Kunsthändlerin Angela Rosengart wandelt ihre Privatsammlung in ein einmaliges Museum um

Klee im Keller, Picasso überall

Kunsthändlerin Angela Rosengart war mit Picasso befreundet. Sein Bild "Kleines Mädchen mit Spielzeugschiff" (1938) ist in der Sammlung zu sehen. Foto: Stiftung Rosengart

Kunsthändlerin Angela Rosengart war mit Picasso befreundet. Sein Bild "Kleines Mädchen mit Spielzeugschiff" (1938) ist in der Sammlung zu sehen. Foto: Stiftung Rosengart

Von Daniel Wagner

Aufzählung Werke: Impressionismus bis klassische Moderne.
Aufzählung Die Schwerpunkte der Sammlung liegen bei Paul Klee und Pablo Picasso.

Luzern. Mit einem Lächeln begrüßt Angela Rosengart die Gäste in ihrem Museum. Pardon, in ihrer Sammlung, der museale Charakter wurde hier ausgelassen.

Immerhin führt sie gleich durch das Lebenswerk zweier genialer Kunsthändler – das von Siegfried Rosengart (1894-1985) und seiner Tochter Angela. Der Vater legte bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Grundstock mit dem Erwerb zweier Gemälde von Cézanne, es folgten je ein Pissarro und ein Renoir.

Alles gekauft

1948 begann, spätestens mit dem Eintritt der gerade 16-Jährigen als Lehrmädel in die väterliche Galerie, die Ausdehnung zu einer der größten Privatsammlungen mit dem Fokus auf französischer Malerei ab 1870. Mit Bonnard, Matisse oder Chagall wurde nicht bloß gehandelt, sondern die Werke wurden zu begehrten Sammlungsobjekten.

"Alles wurde von uns gekauft", erläutert die Dame des Hauses. Rund 220 Werke umfasst der Kern der Sammlung, wobei der Rosengart-Intimus Pablo Picasso mit 130 Schöpfungen einen deutlichen Vorsprung hat.

Ein zweiter Schwerpunkt ihrer Sammelleidenschaft lag auf dem Landsmann Paul Klee; er ist immerhin 125 Mal in der Luzerner Pilatusstraße Nr. 10, in der weltweit bedeutendsten privaten Klee-Sammlung vertreten. Mehr dazu im Keller der Sammlung.

Man dürfe den Beruf nicht aus Profitgier oder Geltungssucht ausüben, sondern müsse ihn aus Liebe zur Kunst erfüllen, lautet die familiäre Maxime. Dasselbe galt auch immer für den Erwerb schöner Stücke für den Eigenbedarf.

Hier zählte immer die subjektive Empfindung für ein Werk. Natürlich wechselten viele prachtvolle und teure Werke in ihrem Haus den Besitzer, doch nicht alles wollten die Rosengarts für sich haben. Beiden musste es gefallen, wobei Vater und Tochter einander perfekt ergänzten. Etwa ihre gemeinsame Schwäche für Picassos spätes Werk in Öl, das in den letzten Räumen der Sammlung vertreten ist – selbst Kenner schreckten seinerzeit davor zurück.

Mein Freund Picasso

Auch kann der Besucher durch das chronologisch angeordnete, umfangreiche Werk Picassos lustwandeln. Die zeitlichen Abläufe, Entwicklungen und Phasen nachvollziehen zu können, bereitet Angela Rosengart weit mehr Freude als jegliches andere Ausstellungsmotto. Mit Picassos Zeichnungen ab 1914 ist das frühe Schaffen in überschaubarem Rahmen gehalten, über Werke seiner klassizistischen Frühphase geht es weiter zum zentralen Gemälde-Oeuvre ab 1938.

Omnipräsent sind die Frauen in Picassos Leben, allen voran seine zweite Ehefrau Jacqueline Roque. Sie wurde für Angela Rosengart eine Freundin. Folgt man den Erzählungen der Sammlerin, hatte der Künstler seiner Ehefrau manches unbesorgte Lebensjahr im Alter zu verdanken.

Auch im ersten Stock bleibt Picasso im Auge des Betrachters: Neben persönlichen Porträts der Freundin Rosengart (gleich fünfmal verewigte er ihre Schönheit auf Leinwand), befindet sich hier auch ihre regelmäßig wechselnde Sammlung an Picasso-Fotografien von David Douglas Duncan. Nicht unter den Tisch fallen dürfen weitere Meister des ausgehenden 19. sowie 20. Jahrhunderts: Werke von Braque, Matisse, Chagall, Modigliani, Leger oder Kandinsky sind gleichfalls zu bewundern.

Sogar einige Vertreter des Surrealismus von Joan Miró (etwa seine einmalige "Tänzerin" von 1925) fanden Eingang in das Obergeschoß.

Klee war erster Kauf

Klee hängt im Keller. Eigentlich ist es kein Keller, sondern die ehemaligen Tresorräume der Luzerner Niederlassung der Schweizerischen Nationalbank.

Sicher ist der neoklassizistische Bau von 1923/24 (erbaut nach Plänen des Stadtarchitekten Hermann Herter, 2002 umgebaut nach Roger Dieners Ideen) somit jedenfalls. Hier lassen sich – wieder begleitet einen die Chronologie – Klees Reisewege von Tunis bis Ägypten und die daraus resultierenden künstlerischen Ergebnisse verfolgen. Natürlich kann man das "X=chen" von 1938 bewundern, im Übrigen die erste Erwerbung Angela Rosengarts.

Verlässt man das sichere Untergeschoß über die marmorne Wendeltreppe, steht im prächtigen Foyer nach wie vor die Frage nach der Finanzierung des Museums im Raum. Wohlgesonnene Banken und etliche Hypotheken hat es gebraucht, um das Projekt zu verwirklichen. Angela Rosengart hat ihr Privatvermögen in die Stiftung gesteckt. Aber die Mühe hat sich gelohnt – das beweist nicht zuletzt das Strahlen in ihren Augen. Wobei: Sie hätte schon noch gerne Kapital für den einen oder anderen Ankauf.

Die Luzerner Kunsthändlerin Angela Rosengart wandelte die gemeinsam mit ihrem Vater Siegfried Rosengart (1894-1985) begründete Privatsammlung 1992 in eine Stiftung um. Seit 2002 ist diese in der ehemaligen Luzerner Niederlassung der Schweizerischen Nationalbank öffentlich zugänglich.

http://www.rosengart.ch

Printausgabe vom Mittwoch, 14. Jänner 2009

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