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Kunstberichte

Das KHM zeigt im Bassano-Saal Gegenwartskunst aus dem Kosovo

Wenn Bomben wie Regentropfen fallen

Das KHM zeigt vier Künstler aus dem Kosovo, bringt damit Nachrichten aus einer unbekannten Kunstregion. Im Bild: Naim Spahiu: "Eroberter Raum". Foto:  Naim Spahiu

Das KHM zeigt vier Künstler aus dem Kosovo, bringt damit Nachrichten aus einer unbekannten Kunstregion. Im Bild: Naim Spahiu: "Eroberter Raum". Foto: Naim Spahiu

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Es ist die letzte Schau der Ära von Wilfried Seipel im Kunsthistorischen Museum (KHM). Sie widmet sich einer Kunstlandschaft, die auf dem westlich bestimmten Kunstmarkt noch nicht sehr berücksichtigt wird: dem Kosovo.

Die Österreicher bilden mit 4000 Soldaten nach wie vor die stärkste nicht mit der Nato verbündete Friedensmission im Kosovo. Neun Jahre nach dem Krieg lässt sich beobachten, wie die Erinnerungen daran von Künstlern, die an der neu begründeten Akademie in Prishtina studiert haben, verarbeitet werden. Der älteste in der Schau vertretene Maler ist Jahrgang 1952, die anderen drei sind in den Siebzigern geboren.

Berichte der Qual – Chronik des Krieges

Anton Krasniqi spielt mit seinem Gemälde "Die Schiffe" auf die Wurzeln der Kosovaren in der illyrischen Kultur der Antike an. Seine, neben Farbkontrasten auch in erdigen Tönen gehaltenen, "Reisen um Mitternacht" erzählen meist abstrakt und mit Zurückhaltung von dunklen Jahren.

Stärker bringt Shpend Qeriqi die traumatische Rückschau zum Ausdruck – der Regen, der von seinen Himmeln fällt, die kämpfenden Hunde oder "Die Abwesenheit des Himmels" spielen auf den Krieg an – schwarze Flieger entpuppen sich als Bomben: "Als es ewig regnete" oder "Ein Tag in diesem Jahrhundert", diesmal in glühendem Rot, sind Berichte der Qual.

Ethem Baymak entstammt der türkischen Minderheit und widmet sich – trotz Realismusverbot der islamischen Kunst – Motiven seiner Heimatstadt Prizren. Nicht nur die Anlage der Burg, der Moscheen und der alten Häuser, selbst die Türen eines alten Badehauses oder osmanische Wandschränken hält er akribisch fest. Der Täuschungseffekt verstärkt sich noch durch die Montage alter Rahmen.

Seine Bilder erzählen von der multikulturellen Geschichte des Kosovo, Christen und Muslime leben im Kosovo Tür an Tür.

Poesie und Humor sind Triebfedern für Naim Spahiu. In seinem Gemälde werden Vertriebene von einem symbolischen Radler begleitet, der an Andy Warhol, aber auch an Francis Bacon erinnert, und doch einfach nur erzählt, wie der Künstler selbst mit diesem Verkehrsmittel der Kriegsgewalt entkam.

Die Figuren und Wege sind grafisch mit dem Pinsel eingeschrieben, was das Drama dadurch fast ironisiert und auflockert.

Für alle vier Maler gilt: Die authentische Bearbeitung ihrer Inhalte und eine Unbekümmertheit gegenüber dem Zeitgeist – geht es doch um die Leidenschaft des Chronisten, aber auch ein Erinnern an die Menschen und Städte eines Landes, das hiermit versucht, sich in der europäischen Kulturgeschichte zurückzumelden.

Damit ist diese Schau auch eher ein kunstpolitischer Akt; nach der Station im Wiener KHM wird sie nach München wandern.

Aufzählung Ausstellung

KosovArt

Mustafa Feriz, Sigrid Meister (Kuratoren) Kunsthistorisches Museum bis 31. Dezember

Printausgabe vom Freitag, 19. Dezember 2008

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