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14.06.2002 - Ausstellung
Intellektueller Polygamist
Die Kunsthalle Krems zeigt im Sommer hundert Werke von Paul Klee aus der Sammlung Carl Djerassis, des Erfinders der Antibabypille. Ein Highlight, nicht nur dank Paul Klee, sondern auch als Spiegel einer geradezu wissenschaftlichen Sammlerleidenschaft.
von Johanna Hofleitner


Erstaunlich, aber wahr: die bislang letzte Ausstellung mit Werken von Paul Klee fand in Österreich 1986 statt. Dabei handelte es sich um einen Werküberblick, den Otto Breicha für Häuser in Graz, Linz und Wien erarbeitet hatte. Und weitere zwei Jahrzehnte früher veranstaltete Werner Hofmann eine Werkschau im Museum moderner Kunst. Mehr war nicht.

Anscheinend bietet Klees vielseitiges Œuvre nicht das, was die Österreicher von Kunst erwarten. Vielleicht aber braucht die „österreichische Seele“ seinen leisen Humor, seine Lyrik und Poesie, seine Sensibilität für feinste Schwingungen auch gar nicht. Klee ist ihr wohl zu schweizerisch, zu bauhäuslerisch, gleichzeitig zu verspielt, zumindest was den Mainstreamgeschmack anlangt. Österreich hat ja seine eigenen Gesamtkunstwerker.

Ist es dann Zufall, daß es just ein emigrierter Wiener ist, der schon als Student in den USA seine Liebe für die Kunst Paul Klees und irgendwann Anfang der Sechziger seine Sammlerleidenschaft für ihn entdeckte, auf einen Schlag gleich zwei Arbeiten von ihm kaufte, weil er sich nicht entscheiden konnte, und damit den Grundstein für eine der weltweit bedeutendsten Klee-Sammlungen legte? 140 Werke hat Carl Djerassi seitdem gesammelt, 79jähriger Erfinder der Antibabypille, Chemiker, Friedensaktivist, Schriftsteller, Dramatiker und leidenschaftlicher Kunstsammler und -förderer, der erst spät in den Neunzigern geehrt wurde von dem Land, in dem er geboren wurde und das ihn 1938 vertrieben hatte – in seiner Vielseitigkeit gewissermaßen ein Seelenverwandter von Paul Klee.

(c) San Francisco Museum of Modern Art

„Für mich ist er der intellektuellste Maler, den ich kenne, ein intellektueller Polygamist“, sagt Djerassi im Kataloginterview anläßlich der Kremser Ausstellung. „Er war Dichter, Pädagoge, hat theoretische Bücher geschrieben.“ Dabei hat dem Wissenschaftler eines besonders angetan: „daß er sehr komplexe Bilder in sehr kleinem Maßstab realisierte. Das ist für mich vom intellektuellen Standpunkt aus wichtig, er ist ein Meister des ,petit format’“. Typisch Wissenschaftler möchte man sagen, und es überrascht wohl kaum, wenn Djerassi erzählt, daß er gerade unter seinen Naturwissenschaftlerkollegen viele Verehrer von Paul Klee kennt. Das Faszinosum liegt dabei in der für Klee charakteristischen Symbiose von Präzision und Geheimnis. „Ich versuche oft, mich in Klee selbst hineinzuversetzen, was ist dabei in ihm vorgegangen?“ Eine Erklärung dafür hat der in der amerikanischen Kultur verwurzelte Djerassi parat: „Ich glaube der Grund dafür ist ein deutsches Wort, das der amerikanische Dichter Wallace Stevens als Titel für ein englisches Gedicht verwendet hat: ,Lebensweisheitspielerei’. Dies ist meiner Ansicht nach das Motto für viele Werke Klees, die immer wieder ästhetisch diesen Eindruck von Leben, Weisheit und Spielerei vermitteln.“

Die Ausstellung in Krems

Eine Auswahl von 100 Werken im „petit format“ bringt Djerassi, der seine Sammlung 1984 der Obhut des San Francisco Museum of Modern Art anvertraut hat, jetzt in seine Heimat zurück, zumindest leihweise: alles Arbeiten auf Papier aus sämtlichen Schaffensphasen des Künstlers, angefangen von frühesten Federzeichnungen über Radierungen, Kohleblätter, Kreidearbeiten, Farbstiftzeichnungen, Aquarellen, Gouachen bis hin zum Schweizer Spätwerk. Auf Papierarbeiten konzentrierte sich der Sammler Djerassi nicht nur aus Kostengründen, was am Anfang ein starkes Motiv war, sondern bewußt auch als Ausdruck der persönlichen Vorliebe. Um seine Klee-Sammlung zu vervollständigen, war ihm denn auch kein Weg zu steinig, kein Termin zu ungelegen. Djerassi: „Einmal habe ich einen Klee nackt erworben, natürlich telephonisch, und der Kauf meines allerletzten Klees, ,Alter Mann’ (1924), kam um drei Uhr früh zustande, denn die Auktion war in London, und ich befand mich in Kalifornien. Aber ich wollte unbedingt dieses Bild haben, da es unmittelbar mit meinem ,Orientalischen Mädchen’ vom selben Jahr und Monat in Zusammenhang steht.“

Ergänzend zu den Papierarbeiten aus der Sammlung zeigt die Kunsthalle Krems Oberlichtsaal 20 Ölarbeiten Paul Klees aus den Jahren 1915–1940.

TIP: Kunsthalle Krems: „Paul Klee. Meisterwerke der Sammlung Djerassi“, 16. 6.–29. 9.
Info: 02732/90 80 10;
Internet: http://www.kunsthalle.at/



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