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Erstaunlich, aber wahr: die bislang letzte Ausstellung mit Werken von
Paul Klee fand in Österreich 1986 statt. Dabei handelte es sich um einen
Werküberblick, den Otto Breicha für Häuser in Graz, Linz und Wien
erarbeitet hatte. Und weitere zwei Jahrzehnte früher veranstaltete Werner
Hofmann eine Werkschau im Museum moderner Kunst. Mehr war nicht.
Anscheinend bietet Klees vielseitiges Œuvre nicht das, was die
Österreicher von Kunst erwarten. Vielleicht aber braucht die
„österreichische Seele“ seinen leisen Humor, seine Lyrik und Poesie, seine
Sensibilität für feinste Schwingungen auch gar nicht. Klee ist ihr wohl zu
schweizerisch, zu bauhäuslerisch, gleichzeitig zu verspielt, zumindest was
den Mainstreamgeschmack anlangt. Österreich hat ja seine eigenen
Gesamtkunstwerker.
Ist es dann Zufall, daß es just ein emigrierter Wiener ist, der schon
als Student in den USA seine Liebe für die Kunst Paul Klees und irgendwann
Anfang der Sechziger seine Sammlerleidenschaft für ihn entdeckte, auf
einen Schlag gleich zwei Arbeiten von ihm kaufte, weil er sich nicht
entscheiden konnte, und damit den Grundstein für eine der weltweit
bedeutendsten Klee-Sammlungen legte? 140 Werke hat Carl Djerassi seitdem
gesammelt, 79jähriger Erfinder der Antibabypille, Chemiker,
Friedensaktivist, Schriftsteller, Dramatiker und leidenschaftlicher
Kunstsammler und -förderer, der erst spät in den Neunzigern geehrt wurde
von dem Land, in dem er geboren wurde und das ihn 1938 vertrieben hatte –
in seiner Vielseitigkeit gewissermaßen ein Seelenverwandter von Paul Klee.
„Für mich ist er der intellektuellste Maler, den ich kenne, ein
intellektueller Polygamist“, sagt Djerassi im Kataloginterview anläßlich
der Kremser Ausstellung. „Er war Dichter, Pädagoge, hat theoretische
Bücher geschrieben.“ Dabei hat dem Wissenschaftler eines besonders
angetan: „daß er sehr komplexe Bilder in sehr kleinem Maßstab realisierte.
Das ist für mich vom intellektuellen Standpunkt aus wichtig, er ist ein
Meister des ,petit format’“. Typisch Wissenschaftler möchte man sagen, und
es überrascht wohl kaum, wenn Djerassi erzählt, daß er gerade unter seinen
Naturwissenschaftlerkollegen viele Verehrer von Paul Klee kennt. Das
Faszinosum liegt dabei in der für Klee charakteristischen Symbiose von
Präzision und Geheimnis. „Ich versuche oft, mich in Klee selbst
hineinzuversetzen, was ist dabei in ihm vorgegangen?“ Eine Erklärung dafür
hat der in der amerikanischen Kultur verwurzelte Djerassi parat: „Ich
glaube der Grund dafür ist ein deutsches Wort, das der amerikanische
Dichter Wallace Stevens als Titel für ein englisches Gedicht verwendet
hat: ,Lebensweisheitspielerei’. Dies ist meiner Ansicht nach das Motto für
viele Werke Klees, die immer wieder ästhetisch diesen Eindruck von Leben,
Weisheit und Spielerei vermitteln.“
Die Ausstellung in Krems
Eine Auswahl von 100 Werken im „petit format“ bringt Djerassi, der
seine Sammlung 1984 der Obhut des San Francisco Museum of Modern Art
anvertraut hat, jetzt in seine Heimat zurück, zumindest leihweise: alles
Arbeiten auf Papier aus sämtlichen Schaffensphasen des Künstlers,
angefangen von frühesten Federzeichnungen über Radierungen, Kohleblätter,
Kreidearbeiten, Farbstiftzeichnungen, Aquarellen, Gouachen bis hin zum
Schweizer Spätwerk. Auf Papierarbeiten konzentrierte sich der Sammler
Djerassi nicht nur aus Kostengründen, was am Anfang ein starkes Motiv war,
sondern bewußt auch als Ausdruck der persönlichen Vorliebe. Um seine
Klee-Sammlung zu vervollständigen, war ihm denn auch kein Weg zu steinig,
kein Termin zu ungelegen. Djerassi: „Einmal habe ich einen Klee nackt
erworben, natürlich telephonisch, und der Kauf meines allerletzten Klees,
,Alter Mann’ (1924), kam um drei Uhr früh zustande, denn die Auktion war
in London, und ich befand mich in Kalifornien. Aber ich wollte unbedingt
dieses Bild haben, da es unmittelbar mit meinem ,Orientalischen Mädchen’
vom selben Jahr und Monat in Zusammenhang steht.“
Ergänzend zu den Papierarbeiten aus der Sammlung zeigt die Kunsthalle
Krems Oberlichtsaal 20 Ölarbeiten Paul Klees aus den Jahren 1915–1940.
TIP: Kunsthalle Krems: „Paul Klee. Meisterwerke der
Sammlung Djerassi“, 16. 6.–29. 9. Info: 02732/90 80 10; Internet:
http://www.kunsthalle.at/
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Die Presse | Wien
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