24.04.2002 21:31:00 MEZ
"Saving the World Before Bedtime!"
Trina Robbins - seit den 60er Jahren zentrale Figur der amerikanischen Frauen-Comicszene - im Interview

Trina Robbins zählt seit den 60er Jahren zu den zentralen Figuren der amerikanischen Frauen-Comicszene. Als alleinerziehende Mutter, Cartoonistin und aktive Chronistin der Women Comics-Bewegung ist sie sozusagen "A Real-Hero". Junge Mädchen haben ihr Identifikationsfiguren wie "Go Girl" oder "Meet Misty" zu verdanken. dieStandard.at traf Trina Robbins zum Gespräch.

dieStandard.at: Wie/Wann kam das Interesse für Comics?

Trina Robbins: Ich habe schon immer Comics gelesen. Meine Mutter war Lehrerin und hat mir bereits mit vier Jahren das Lesen gelehrt. Ich habe wie besessen alles gelesen, was mir untergekommen ist: die Werbung in der U-Bahn, jedes Buch, das ich im Haus gefunden habe und natürlich Comics. Ich wuchs auf mit Comics und Zeichnen. Aber es dauerte einige Zeit, diese zwei Dinge zu verbinden. In den 60er Jahren wurden Comics unter den StudentInnen und Hippies sehr beliebt: "Spiderman", "The Fantastic Four" - das war neu. Es war auch die Zeit von Pop-Art. Ich machte diese kleine Zeichnungen - auch in der Kunstschule - von der ich rausflog. Ich wollte nur diese Zeichnungen machen, nicht die von der Schule geforderten riesigen, monumentalen Abstraktionen. Ich erkannte, das, was ich mache, sind im Grunde Comics.

1969 war ich in L.A., wo mir jemand ein Untergrundmagazin aus N.Y. zeigte, das auch Comics beinhaltete. Sie waren anders als "Spiderman" oder "The Fantastic Four" - sehr psychodelisch. Und ich dachte: Sowas will ich machen. Ich verließ meinen Mann, mit dem ich in L.A. wohnte, zog nach N.Y., traf eine Freundin, die für dieses Magazin (East Village Other) arbeitete und begann, dafür Comics zu zeichnen.

Ich hatte damals noch nichts von Feminismus gehört. Das war einfach Hippie-Zeug. Psychodelisch, verträumt, spacig. Für mich war das so neu. Ich dachte nie daran, dass das etwas ist, was nur Männer machen. Aber als sich die Untergrundszene mehr entwickelte und größer wurde, sah ich, dass es eine Männerdomäne war, und mir diese keinen Platz gaben, meine Comics in den Heften zu veröffentlichen. Es war üblich, dass sich die Männer gegenseitig unterstützten - aber einer Frau gaben sie keine Plattform. Da merkte ich: Wir sind verschieden!

dieStandard.at: Es gab also ein funktionierendes Männernetzwerk, welches Frauen ausschloss und somit ein eigenes Frauennetzwerk unablässlich wurde?

Trina Robbins: Ja. So kam ich nach San Francisco, wo ich bei einem Untergrundmagazin von Frauen namens "It Ain't Me Babe" mitarbeitete. Das war ein feministisches Magazin, das sich dem Slogan "Befreiung der Frauen" verpflichtet sah. Der Titel war von einem Bob Dylan-Song entlehnt - aber es war unsere Version von "It Ain't Me Babe" im Jahr 1970.

1972 traf sich eine Frauengruppe, die Frauen-Comicreihen (Wimmen's Comic Collective) kreierte, die bis 1992 erschienen. Das war ein internationales Netzwerk. Wir haben auch Arbeiten aus Europa und Kanada veröffentlicht. Es war sehr demokratisch organisiert. Jede Ausgabe hatte andere Editorinnen.

dieStandard.at: Was waren die Themen der Stories dieser Comics?

Trina Robbins: Es ging hauptsächlich darum, miteinander zu kommunizieren. Das können Frauen viel besser als Männer. Erfahrungen mitzuteilen. Auch feministische Themen wie Abtreibung, sexueller Missbrauch wurden abgehandelt.

dieStandard.at: Wie steht es heutzutage um Geschichten für Mädchen?

Trina Robbins: Es gibt ganz wenig Geschichten für Mädchen. Alles wird für die Buben produziert: Videospiele, Comics. Kaum jemand stellt sich die Frage, was Mädchen mögen. Mädchen wollen was anderes wie Jungs. Wir sind verschieden! Jungen wollen Action und Kämpfe - in jedem Videospiel wird gekämpft, geschossen. Mädchen sind an anderen Mädchen interessiert. Sie wollen schöne Frauen sehen und Geschichten über Teenager. Sie wollen keine Mütter, die sind für sie uninteressant. Sie wollen auch Action, aber keine Gewalt.

dieStandard.at: Welche positiven Beispiele für Mädchen-Comics fallen Ihnen ein?

Trina Robbins: Die Power-Puff Girls. Der Professor ist nicht sehr gut - das Männliche ist schwach. Es sind die Girls, die die Welt retten: "Saving the World Before Bedtime!" - Ich liebe das und sie sehen so nett aus. Auch Sailor Moon ist sehr beliebt. Das sind Teenager-Heldinnen.

dieStandard.at: Aber ist Sailor Moon nicht auch sexuell aufgeladen?

Trina Robbins: Sie ist sehr hübsch, sie hat einen sehr kurzen Rock. Die Schuluniform wird kürzer und somit zum Heldinnenkostüm. Es ist nichts falsch am "Hübsch-Sein". Mädchen lieben Schönheit. Das ist auch der Grund, warum Barbie so berühmt und beliebt ist. Es ist die Frage, was man mit Schönheit macht. Es geht nicht nur um Einkaufen und Nägel färben - sondern auch um Spaß, Abenteuer, stark sein, tapfer sein. Solange es nicht in übergroße Brüste ausartet, ist Schönheit o.k. Riesen-Titten - das ist der Männerstoff.

dieStandard.at: Aber dieser Männerstoff ist der Mainstream, der ja von den Männern beherrscht wird. Gibt es eine Möglichkeit, dass sich Frauen da wieder mehr durchsetzen? Bis in die 40er Jahre waren Frauen als Comic-Zeichnerinnen ja Gang und Gebe - was sich auch in den Stories bemerkbar machte: Die Frauen waren starke "Alltagsheldinnen". Nach dem Krieg okkupierten Männer wieder die Comic-Welt - was sich auch wieder in den Geschichten bemerkbar machte: kitschige Romanzen oder eben (anotomische) Superfrauen und Actionhelden standen im Angebot.

Trina Robbins: Wir können solange nicht in den Mainstream hinein, bis sich der Mainstream ändert. Superhelden, Action, Frauen mit Riesenbusen - das muss sich ändern. Frauen müssen sich angesprochen fühlen und repräsentiert werden. Die Comic-Industrie befindet sich zur Zeit in einem sehr schlechten Zustand. Damit diese Industrie überlebt, muss sie sich früher oder später ändern. Es muss Geschichten für Mädchen geben - wir sind über 50%. Die japanische Comic-Industrie publiziert genauso viel Comics für Mädchen wie für Jungen.

"Shoujou Manga" ist einer der beliebtesten, der auch in Amerika von vielen Mädchen gelesen wird, weil auch hier Mädchen Heldinnen sind. In Amerika sitzen noch immer die Männer herum mit dem Denken: Wir machen was wir wollen. Wir kümmern uns nicht um die Mädchen. Wir wollen Mädchen nicht. In Japan ist die Sichtweise anders: Gebt den Mädchen was sie wollen und lasst uns viel Geld damit verdienen!


Quelle: © derStandard.at