Pragmatischer Realist

"Wenn man von Kulturnation spricht, dann hat der Staat auch Verantwortung für die Kultur", stellt Lorand Hegyi, scheidender MUMOK-Chef, zur Ausgliederung fest.
Von Matthias Osiecki.


Er wurde nach der Wende 1989 von Budapest nach Wien geholt: Lorand Hegyi, Leiter des Museums Moderner Kunst. In den elf seiner - zum Teil stark umstrittenen -Tätigkeit hat er auch die Übersiedlung in das neue Haus im Wiener Museumsquartier vorbereitet.

"Der Kult des Events hat ganz starke Wurzeln in der österreichischen Kultur. Aber dieser Spektakel-Hunger interessiert mich nicht", stellt Hegyi in Zusammenhang mit den Vorwürfen fest. In einem Gespräch für ON Kultur, das Matthias Osiecki mit dem scheidenden Museumsleiter führte, legt er seine Standpunkte dar.

ON Kultur: Herr Direktor Hegyi, das neue Museum Moderner Kunst im Museumsquartier ist eröffnet. Wie fühlen Sie sich?

Lorand Hegyi / ©Bild: APA
Lorand Hegyi / ©Bild: APA

Lorand Hegyi: Ich bin sehr zufrieden. Ich kann zum ersten Mal in der Geschichte des Museums die historische und die thematische Struktur unter einem Dach - und nicht in zwei provisorischen Gebäuden - präsentieren.

ON Kultur: Wenn Sie das neue Museum betrachten, ist alles so ausgefallen, wie Sie es wollten?

Lorand Hegyi: Ich gehe immer von den Realitäten aus. Und diese sind von politischen und kulturpolitischen Aspekten determiniert. Ich habe versucht, aus diesem guten Projekt ein brauchbares Museum zu schaffen. Wo ich in meinem Kompetenzbereich Veränderungen vorgeschlagen habe, wurden sie mindestens zu gut 50 Prozent durchgeführt.

ON Kultur: Sie sind nun seit 1990 Direktor des Museums Moderner Kunst. Wie schätzen Sie selbst Ihre Tätigkeit ein?

Lorand Hegyi: Ich glaube, dass ich während der elf Jahre das Museum auf die internationale Ebene gebracht habe. Man spricht in Fachkreisen über das Haus. Das ist u.a. auf folgende Tatsachen zurückzuführen: Erstens habe ich eine sehr stark kulturpolitisch und politisch motivierte Sammlungs- und Ausstellungspolitik gemacht. Dazu zählt die Integration der Kunst aus den einstigen Ländern des Ostblocks sowie aus anderen Teilen Europas, aber auch Kunst aus Asien und aus Lateinamerika. Weiters habe ich für eine enge Verknüpfung von Sammlungs- und Ausstellungspolitik gesorgt. Das wird man in der Eröffnungs-Ausstellung sehen können.

ON Kultur. Es gab an Ihrer Führung massive Kritik. 1998 hat die Österreich-Sektion der Internationalen Kunstkritiker-Vereinigung AICA sogar einen Appell gegen Ihre Vertragsverlängerung an Ministerin Gehrer geschickt.

Lorand Hegyi: Es waren typische Stimmen aus der jeweiligen Szene. Das nehme ich nicht ernst. Denn ein Museum ist kein Instrument einer Szene. Wenn man mir vorwirft, ich hätte keine Mainstram-Künstler ausgestellt, sondern sehr viele aus der Peripherie, dann sage ich: ja, denn das ist und war mein Ziel. Gestört hat mich vor allem das Ressentiment, dass ich nicht aus Wien kam und zu keiner Clique gehöre. Das hat meine Arbeitsbedingungen erschwert. Noch mehr gestört haben mich aber die vielen fachlich nicht profunden Vorwürfe. Konstruktive Kritik gab es leider nur sehr wenig.

ON Kultur: Große Kritik wurde auch an Ihrer Ausstellungstätigkeit geübt.

Lorand Hegyi: Ich glaube, dass sehr wenige Wiener Museen und Ausstellungen so großes internationales Echo hatten wie das Museum Moderner Kunst. Allein bei "La Casa il corpo il Cuore", die ich selbst kuratiert habe, gab es 40 Berichte in Fachzeitschriften. Die "Süddeutsche Zeitung" hat geschrieben: Das anspruchsvollste Ausstellungsprogramm hat in Wien das Museum Moderner Kunst, weil hier nicht mit großen Namen, sondern mit wichtigen Themen operiert wird.

ON Kultur: Manchen der Ankäufe wird die nötige Museums-Qualität abgesprochen.

Lorand Hegyi: Natürlich weiß man nicht, ob ein Künstler in 30 Jahren noch Museumswert haben wird oder nicht. Diesen Risikofaktor gibt es eben. Immerhin zählen zu meinen Ankäufen aber Werke von Jannis Kounellis, Mario Merz, Frank Stella, von Bertrand Lavier oder von Toni Craig, um nur einige Künstler zu nennen. Ich säße nicht in vier Ankaufskomitees, hätte man kein Vertrauen zu mir. Es mag sein, dass vielleicht unsere Marketingstrategie nicht geeignet war.

ON Kultur: Sie verlassen das Haus mit Ende des Jahres auf eigenen Wunsch. Waren Sie gerne in Wien?

Lorand Hegyi: Arbeitsmäßig war ich sehr gerne in Wien. Die Konflikte sind jenen in Budapest sehr ähnlich. Das kommt wahrscheinlich aus der gemeinsamen Vergangenheit.

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