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"Live Again": Museumsbillard in Linz

15.11.2007 | 18:13 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

„Live again“ rekonstruiert eine „Haus Rucker Co“-Schau von 1970. Erstaunlich.

Olafur Eliasson hat gerade das Kunsthaus Zug mit 32 Tonnen Lava auslegen lassen. Doris Salcedo lässt einen brutalen Riss quer durch den ganzen Betonboden der Turbinenhalle der Tate Modern London laufen. Und Anish Kapoor setzt einen monströsen blutroten Block aus Vaseline, Farbe, Wachs auf Schienen und presst ihn extrem langsam durch die Marmortüren des Münchner Hauses der Kunst.

Großes Spektakel im Museum? Business as usual. Aber es gab sie doch, die Zeiten, in denen noch fast gar nichts „eh klar“ war, die Zeiten, als Künstler Museen noch als „hehre Hallen“ erstürmen konnten. Um Leben näher zur Kunst zu bringen und Kunst näher zum Leben. Eine der ersten, die diesen Anfang des Aufbruchs oder, je nach Geschmack, Abstiegs markierten, war die legendäre Wiener Künstler-Architekten-Gruppe „Haus Rucker Co“. Alfred Schmeller lud sie 1970 zu seinem Einstand als Direktor des „20er Hauses“ ein, den Pavillon beim Südbahnhof zu bespielen. Und zwar im Wortsinn: Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und Klaus Pinter wollten erstens gleich im Museum campen und stellten zweitens im Zentrum ein riesiges Hybrid aus Hüpfburg, Billardtisch und Boxring auf. Das vom Publikum sofort, also „live“, wie der Ausstellungstitel hieß, gestürmt wurde – und mit über 18.000Besuchern für einen Rekord im Museum sorgte.


Betreten verboten? Lieber doch nicht!

Heute wird in ganz anderen Besucherzahlen gerechnet, heute stehen nicht nur Luftburgen von Künstlern, sondern auch solche von Autofirmen in Museen – oder auch Fitnessgeräte, wie vergangenen Dienstag zufällig im Entrée des Lentos. Einen Tag später und ein Stockwerk höher wurde dann die Reinszenierung der „Haus Rucker Co“-Ausstellung von 1970 – „Live again“ – eröffnet.

In der eleganten Oberlichthalle steht jetzt eine genaue Nachbildung des Riesenbillards, lange habe man diskutiert, so Direktorin Stella Rollig, ob man es provokant als museales Stück zeigen, also die Benutzung nicht zulassen sollte. Dann siegte wohl doch der Gedanke an enttäuschte Kinderaugen. Dennoch wird hier viel angerissen: Stand das Objekt nämlich einst für den Wunsch, das Museum zu öffnen, wirkt es in dieser Reinszenierung wie das Denkmal der Kritik genau an jener daraus hervorgegangenen Eventkultur.

Ein Zeigefinger ragt auch tatsächlich im Hintergrund auf – in Form der „Room-Scraper“-Lampe Haus-Rucker-Cos von 1969. In einem anschließenden kleinen Raum hat Kuratorin Andrea Bina die typisch grelle Plastik-Pop-Ästhetik der 1977 aufgelösten Gruppe konzentriert. Besonders stolz ist Bina aber auf die Rekonstruktion des nirgends publizierten „Oxer“, der auch heute beim Betreten der Schau die Perspektive ins Wanken bringt: Wer so richtig ins Billard plumpsen will, klettert durch eine tunnelartige Konstruktion, in deren Mitte eine Wunderkammer liegt, geneigt um 25Grad. Halten Sie sich fest. Oder besser, lassen Sie los, verlieren das Gleichgewicht und landen weich gepolstert. 1970 wären Sie härter gefallen. Garantiert. Ebenfalls eine historische Entwicklung. Bis 18.März.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2007)


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