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Datum:   14.01.2004
Ressort:   Feuilleton
Autor:   Ingeborg Ruthe, Sebastian Preuss
Seite:   11

Die De-Modernisierung ist in vollem Gange

Ute Meta Bauer, Kuratorin der dritten Berlin Biennale, über die Stadt und den Kunstbetrieb

Frau Bauer, dieser Tage gaben Sie die Künstlerliste der dritten Berlin Biennale bekannt. Von den 50 Teilnehmern arbeitet die Hälfte in der Stadt. Wieso ist darunter kaum ein Name, der sich mit der Berliner Kunstblüte der Neunziger verbindet?

Inzwischen lebt hier eine große, heterogene Künstlerschaft aus aller Welt, die von der Stadt allerdings nicht gerade hofiert wird. Soeben wurde die soziale Künstlerförderung auf ein Minimum reduziert. Dennoch kommen Künstlerinnen und Künstler in Berlin irgendwie zurecht, können auch mit knappem Einkommen leben, weil die Ateliermieten erträglich sind. Zudem herrscht gegenseitige Offenheit, es gibt - anders als in vielen Kunstzentren - Kommunikation untereinander. Die Kunstvereine sind offen, die Stadt nimmt ihre Gäste auf. Nur die Museen klinken sich ziemlich aus. Die Biennale will auch zeigen, was hier an künstlerischer Produktion passiert, unter Umständen schon zu sehen war, aber nicht in den Berliner Museen.

Sie beobachten also ein Desinteresse der Berliner Institutionen?

Ja, das liegt jedoch nicht an den KuratorInnen. Sie würden gerne zeigen, was in den Ateliers entsteht, wenn sie denn könnten. In den Museen wird Wechselaustellungen der Gegenwartskunst zuwenig Fläche eingeräumt. Die lebhafte Berliner Off-Szene etwa findet zwar in der NGBK, dem Künstlerhaus Bethanien oder dem Neuer Berliner Kunstverein ein Forum. Aber das reicht nicht aus. Dabei ist junge Kunst ein Aushängeschild.

Woran fehlt es am meisten?

Ausstellungen. Das Angebot im Bereich transdisziplinärer Projekte, wie sie an der Volksbühne und am Hebbel Theater stattfinden, ist ausgeprochen gut. Die Theater sind offen und experimentierfreudig, während die Kunstinstitutionen sich diesen Ansätzen verschließen. Vor allem fehlen große Überblicks-Ausstellungen, aber auch EinzelAusstellungen junger Kunst.

Welche Rolle spielt die Berliner Musikszene in der Biennale?

Das Berlin der Neunziger assoziiert man mit Techno, früher gab es interessante Punk-Bands um das SO 36 in Kreuzberg. Berlin war und ist im Bereich der neuen Musik offen und spannend. Im Künstlerhaus Bethanien gab es eine kontinuierliche Bühne für Performance-Kunst und sonische Ansätze. Im Ausstellungsbereich "Sonische Landschaften" der Biennale steht elektronische Musik von Frauen im Mittelpunkt. Berlin hat hier einen Schwerpunkt, vergleichbare Strukturen findet man nur noch in New York.

Was erwartet uns auf der Biennale? Videos, Archive, Neue Malerei?

KuratorInnen richten sich nach dem, was Künstler heute äußern. Dazu gehört heute nun mal eine größere Präsenz von Video und wieder zunehmend auch von Film, starke Ausdrucksmittel, wie auch die Fotografie. Diese Genres werden zahlreich vertreten sein, neben aktuellen malerischen Positionen.

Die Stadt dient erklärtermaßen als "lokale Folie" Ihrer Biennale. Welche der vielen Mythen Berlins meinen Sie damit?

Es wird Zeit, Berlin unaufgeregt zu erleben. In die Stadt ist im 15. Jahr nach dem Fall der Mauer der Alltag eingekehrt, die Ernüchterung auch, denn die vielen Versprechungen sind nicht ganz eingelöst worden. Und das ist gar nicht so schlecht.

Berlin begreift sich aber nach wie vor als brodelnde, vitale Stadt.

Nun, ja; es ist recht brav geworden. Ich habe hier schon stürmischere Zeiten erlebt.

Im alten West-Berlin?

Ja, ich habe auf langen Besuchen gerade die Siebziger und Achtziger in Berlin intensiv erlebt. Kreuzberg spielte eine prägende Rolle, Kreuzberger Orte und Kreuzberger Figuren. Ulrike Oettinger zum Beispiel, ihr filmisches "Porträt einer Trinkerin" war für mich ein Schlüsselerlebnis. In ihrer Berlin-Trilogie, wieder gezeigt für die Biennale, wird deutlich, wie sehr die Stadt immer auch eine Fiktion war. Filme wie diese werden auf Filme aus dem Osten treffen, die im Westen eher unbekannt geblieben sind, "Solo Sunny" von Konrad Wolf etwa, Dokumentarfilme von Jürgen Böttcher oder Super-8-Filme im Umfeld der Brotfabrik.

Anders als ihre Vorgänger, die das unfertige, struppige Ambiente suchten, findet diese Biennale in etablierten Räumen statt, warum?

Die erste und zweite Biennale entstanden aus einem anderen Zeitgefühl heraus. Das unsanierte Postfuhramt würde inzwischen nicht mehr funktionieren als Ausstellungsort, das wäre geradezu anachronistisch. Berlin-Mitte steht heute für etwas anderes, ist duchsaniert, schick, etabliert.

Für die Kunst-Werke trifft das zu, und der Gropius-Bau ist mittlerweile ein staatstragender Ort...

... der aber für mich in den Achtzigern ein Ort spannender Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst war, etwa durch Christos Joachimides "Metropolis"-Ausstellung. Off-Kunst und etablierte Kunst - das ist ein Widerspruch. Auch Künstler jenseits des Kunstmarktes sind an einem musealen Ort als Reibungsfläche interessiert. Die meisten Biennale-Teilnehmer wollten in den Martin-Gropius-Bau. Sie möchten austesten, wie man so einen repräsentativen historischen Ort bespielt. Sie finden aber auch die Nachbarschaft zur Topographie des Terrors, diesem politischen Erinnerungsort, wichtig.

Unlängst beklagten Sie in einem Interview, dass sich im Kunstbetrieb ein gewisser Neokonservatismus breitmache. Statt einer zeitgemäß notwendigen Re-Politisierung sei eine De-Modernisierung des Kunstbegriffs zu beobachten.

Ich erlebe das doch! Auf den Institutionen lastet enormer Druck, sie sind finanziell abhängig von der Politik, werden zunehmend instrumentalisiert, es herrscht Legitimierungsdruck durch Besucherquoten. Mehr und mehr zählt der Tourismusfaktor. Die Kulturindustrie achtet auf die Verwertbarkeit, es wird schwerer für Forschung, Unabgesichertes, Experimentelles. Es herrscht Pragmatismus.

Wie können Sie als Kuratorin gegensteuern?

Durch Inhalte und durch Entschiedenheit, denke ich. Aber es gibt auch in der Kunst selbst die Tendenz, sich dem anzupassen. Immer, wenn es etwas Neues gibt, gibt es auch eine große Zahl von KünstlerInnen, die sich in der zweiten und dritten Generation auf dem gleichem Weg bewegen. Das ist ganz normal und auch gut, denn nur in dieser breiten Produktion treten dann auch wichtige Positionen hervor. Ich kann nachvollziehen, dass, wer Kunst kauft, auch mit dieser leben möchte. Der Käufer-Markt ist immer eher konservativ.

Ein Teil der Biennale widmet sich der Migration, ein wichtiges Thema in Berlin, mit seinen vielen Türken und Osteuropäern. Ein Hauptbeitrag zu diesem Komplex, von Fanni Niemi-Junkola, führt uns aber zu den pferdezüchtenden Sinti und Roma in Finnland...

Ich stelle mir das in Zeiten der EU-Erweiterung eben komplexer vor. Mich interessiert, was eine zweite, dritte Generation von Künstler-Migrantinnen und -Migranten in Berlin beschäftigt. Ich will wissen, was europäische Grenzen mit Berlin zu tun haben. Das weitet den Blick.

Ihr Arbeitsstil als Kuratorin gilt als ausgesprochen kollektiv - ein Reflex auf den in Mode gekommenen Star-Rummel um Kuratoren?

Die Schuld hierfür gebe ich den Medien, weniger den Kollegen. Die Presse will immer eine Frontfigur und betreibt daher viel Personality-Show. Eine Großausstellung kann immer nur ein kollektives Produkt sein, das Künstler und AusstellungsmacherInnen miteinander verantworten. Zugleich gibt es Hierarchien, wenn die nicht geklärt sind, funktioniert es nicht. Diese Hierarchien gibt es bei der Biennal auch, aber sie soll transparent sein. Die erste kritische Reflexion kommt vom Team. Jeder Kurator wäre schlecht beraten, wenn er dies nicht ernst nähme.

Das Gespräch führten Ingeborg Ruthe und Sebastian Preuss.

Die Berlin Biennale und ihre Chefin // Ute Meta Bauer, Jahrgang 1958, kommt aus Stuttgart, sie studierte in Hamburg Visuelle Kommunikation. Seit 1996 ist sie Professorin an der Kunstakademie Wien, 2002 wurde sie Gründungsdirektorin des Office For Contemporary Art Norway Oslo und Co-Kuratorin der Documenta 11.

Die 3. Berlin Biennale beginnt am 14. 2. und endet am 18. 4. An drei Ausstellungsorten - Kunst-Werke, Martin-Gropius-Bau, Kino Arsenal - werden Arbeiten von 50 Künstlern gezeigt, die sich Themen wie Urbane Konditionen, Migration, Musik, Film, Moden und Szenen widmen.

BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER